Die Dämonen
Auf einmal schien es ihm, als ob Kirillows Kinn sich bewegte und ein spöttisches Lächeln über seine Lippen dahinglitte, gerade wie wenn dieser seine Absicht erraten hätte. Er fuhr zusammen und packte, ohne selbst zu wissen, was er tat, Kirillow fest an der Schulter.
Da geschah etwas so Ungeheuerliches und mit solcher Schnelligkeit, daß Peter Stepanowitsch später nicht imstande war, Ordnung in seine Erinnerungen hineinzubringen. Kaum hatte er Kirillow berührt, als dieser schnell den Kopf niederbeugte und mit dem Kopfe selbst ihm das Licht aus der Hand schlug; der Leuchter fiel geräuschvoll auf den Fußboden, und das Licht erlosch. In demselben Augenblicke fühlte er einen furchtbaren Schmerz im kleinen Finger seiner linken Hand. Er schrie auf und erinnerte sich später nur, daß er ganz außer sich Kirillow, der ihn angefallen hatte und ihn in den Finger biß, dreimal aus voller Kraft mit dem Revolver auf den Kopf schlug. Endlich riß er ihm den Finger aus den Zähnen und stürzte nun, im Dunkeln den Weg suchend, Hals über Kopf davon, um aus dem Hause hinauszulaufen. Hinter ihm her erscholl aus dem Zimmer ein furchtbares Geschrei:
»Sogleich, sogleich, sogleich, sogleich! ...«
Wohl zehnmal. Aber er lief weiter und war schon auf den Flur gelangt, als ein lauter Schuß ertönte. Da blieb er auf dem Flur im Dunkeln stehen und überlegte etwa fünf Minuten lang; schließlich kehrte er wieder in die Wohnung zurück. Aber vor allen Dingen mußte er die Kerze wiederhaben. Er brauchte nur rechts bei dem Schranke auf dem Fußboden den ihm aus der Hand geschlagenen Leuchter zu suchen; aber wie sollte er den Lichtstumpf anzünden? Da tauchte in seinem Kopfe eine dunkle Erinnerung auf: er besann sich, daß er tags zuvor, als er in die Küche gelaufen war, um Fedka zu schelten, in der Ecke auf einem Wandbrette eine große rote Streichholzschachtel flüchtig bemerkt hatte. Tastend wandte er sich nach links zur Küchentür, fand sie, durchschritt den Vorraum und stieg die Stufen hinunter. Auf dem Wandbrette, gerade an der Stelle, an die er sich soeben erinnert hatte, fand er im Dunkeln eine volle, noch nicht angebrochene Schachtel mit Streichhölzern. Ohne Licht zu machen, kehrte er eilig nach oben zurück, und erst bei dem Schranke, an derselben Stelle, wo er den ihn beißenden Kirillow mit dem Revolver geschlagen hatte, erinnerte er sich auf einmal an seinen gebissenen Finger und empfand im selben Augenblicke in ihm einen beinah unerträglichen Schmerz. Die Zähne zusammenbeißend, zündete er mit Mühe und Not das Lichtstümpfchen an, steckte es wieder auf den Leuchter und blickte um sich: bei dem Fenster mit der geöffneten Luftscheibe lag, mit den Füßen nach der rechten Zimmerecke zu, der Leichnam Kirillows. Der Schuß war in die rechte Schläfe erfolgt, und die Kugel war oben links wieder herausgegangen, nachdem sie den Schädel durchschlagen hatte. Spritzer von Blut und Gehirn waren sichtbar. Der Revolver war in der auf den Fußboden gesunkenen Hand des Selbstmörders geblieben. Nachdem Peter Stepanowitsch alles mit größter Genauigkeit gemustert hatte, richtete er sich auf, ging auf den Zehen hinaus, machte die Tür zu, stellte das Licht auf den Tisch im ersten Zimmer, überlegte einen Augenblick und entschied sich dafür, es nicht auszulöschen, da er sich sagte, daß es keinen Brand verursachen könne. Nachdem er noch einen Blick auf das Schriftstück geworfen hatte, das auf dem Tische lag, lächelte er mechanisch und verließ dann, immer noch aus nicht recht verständlichem Grunde auf den Fußspitzen, das Haus. Er kroch wieder durch Fedkas Schlupfloch hindurch und schloß es wieder hinter sich sorgfältig.
III.
Genau zehn Minuten vor sechs Uhr gingen auf dem Bahnhofe Peter Stepanowitsch und Erkel an der sich ziemlich lang hinziehenden Reihe von Waggons auf und ab. Peter Stepanowitsch reiste ab, und Erkel nahm von ihm Abschied. Das Gepäck war aufgegeben, die Reisetasche in einem Waggon zweiter Klasse auf den ausgewählten Platz gelegt. Das erste Glockenzeichen war bereits gegeben; sie warteten auf das zweite. Peter Stepanowitsch sah sich offen nach allen Seiten um und beobachtete die in die Waggons einsteigenden Passagiere. Aber nahe Bekannte traf er nicht; nur ein paarmal hatte er Abreisenden mit dem Kopfe zuzunicken: einem Kaufmann, den er entfernt kannte, und dann einem jungen Landgeistlichen, der zwei Stationen weit zu seiner Gemeinde fuhr. Erkel hatte offenbar große Lust, in den letzten
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