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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Minuten von etwas Wichtigem zu reden, wiewohl er vielleicht selbst nicht einmal wußte, wovon eigentlich; aber er wagte immer nicht anzufangen. Er hatte immer die Empfindung, als ob sich Peter Stepanowitsch in seiner Gesellschaft unbehaglich fühle und ungeduldig auf die übrigen Glockenzeichen warte.
    »Sie sehen alle so offen an,« bemerkte er etwas schüchtern, wie wenn er ihn warnen wollte.
    »Warum denn nicht? Ich habe noch keinen Anlaß, mich zu verstecken; es ist noch früh. Seien Sie unbesorgt! Ich fürchte nur, daß der Teufel diesen Liputin herführt; wenn der etwas davon wittert, dann kommt er auch angelaufen.«
    »Peter Stepanowitsch, die sind nicht zuverlässig,« sagte Erkel in bestimmtem Tone.
    »Liputin?«
    »Alle, Peter Stepanowitsch.«
    »Unsinn; durch die gestrige Geschichte sind jetzt alle gebunden. Es wird keiner Verrat begehen. Wer wird in sein offenes Verderben rennen, wenn er nicht den Verstand verloren hat?«
    »Peter Stepanowitsch, aber die haben ja den Verstand verloren.«
    Dieser Gedanke war auch Peter Stepanowitsch offenbar schon in den Kopf gekommen, und darum ärgerte ihn Erkels Bemerkung noch mehr.
    »Sind Sie etwa auch feige geworden, Erkel? Auf Sie setze ich doch mehr Vertrauen als auf die andern alle. Ich habe jetzt gesehen, was ein jeder wert ist. Bestellen Sie ihnen gleich heute alles mündlich; ich vertraue sie Ihnen ausdrücklich an. Gehen Sie heute vormittag bei ihnen umher! Meine schriftliche Instruktion lesen Sie ihnen morgen oder übermorgen vor; berufen Sie zu diesem Zwecke eine Versammlung, sobald sie fähig sein werden zuzuhören ... aber Sie können überzeugt sein, daß sie schon heute dazu fähig sein werden, da sie furchtbar feige sind und sich wie Wachs werden kneten lassen ... Die Hauptsache ist, daß Sie selbst nicht den Kopf hängen lassen ...«
    »Ach, Peter Stepanowitsch, am besten wäre es, wenn Sie nicht wegführen!«
    »Ich reise ja nur auf einige Tage fort; ich komme sehr bald wieder zurück.«
    »Peter Stepanowitsch,« sagte Erkel vorsichtig, aber mit fester Stimme, »und wenn Sie selbst nach Petersburg reisten, ich weiß ja doch, daß Sie es nur tun, weil es für die gemeinsame Sache notwendig ist.«
    »Weniger hatte ich von Ihnen auch nicht erwartet, Erkel. Wenn Sie erraten haben, daß ich nach Petersburg fahre, so werden Sie verstehen, daß ich denen gestern in jenem Augenblicke nicht sagen konnte, daß ich so weit wegfahren würde, damit sie nicht einen Schreck bekämen. Was das für Menschen sind, das haben Sie ja selbst gesehen. Aber Sie werden begreifen, daß ich um der Sache willen, um der großen, wichtigen Sache willen, um unserer gemeinsamen Sache willen verreise, und nicht um mich aus dem Staube zu machen, wie so ein Liputin argwöhnt.«
    »Peter Stepanowitsch, und selbst wenn Sie ins Ausland reisen, so verstehe ich das; ich verstehe, daß Sie Ihre Person in acht nehmen müssen; denn Sie sind alles und wir nichts. Das verstehe ich, Peter Stepanowitsch.«

    Dem armen Jungen zitterte sogar die Stimme.
    »Ich danke Ihnen, Erkel ... Au, Sie sind mir an meinen schlimmen Finger gekommen« (Erkel hatte ihm ungeschickt die Hand gedrückt; der schlimme Finger war sauber mit schwarzem Taft umwickelt). »Aber ich sage Ihnen noch einmal auf das bestimmteste, daß ich nach Petersburg nur einmal hineinriechen will und vielleicht sogar nur vierundzwanzig Stunden dableiben und gleich wieder zurückkommen werde. Nach meiner Rückkehr werde ich um des äußeren Scheines willen auf dem Lande bei Gaganow wohnen. Wenn sie irgendwelche Gefahr befürchten, so werde ich in die Stadt kommen und die Gefahr als der erste an ihrer Spitze teilen. Sollte ich mich aber in Petersburg länger aufhalten müssen, so werde ich es Sie sofort wissen lassen ... auf dem bekannten Wege; und Sie mögen es ihnen dann mitteilen.«
    Es ertönte das zweite Glockenzeichen.
    »Ah, also nur noch fünf Minuten bis zur Abfahrt. Wissen Sie, ich möchte nicht, daß die hiesige Gruppe sich auflöst. Ich für meine Person fürchte mich nicht; um mich brauchen Sie sich keine Sorge zu machen: solcher Maschen des allgemeinen Netzes habe ich genug und brauche auf eine einzelne keinen besonderen Wert zu legen; aber doch kann eine Masche mehr nicht schaden. Übrigens bin ich für Sie unbesorgt, obgleich ich Sie fast allein mit diesen Mißgeburten hier zurücklasse: haben Sie keine Furcht; sie werden nicht denunzieren; das werden sie nicht wagen ... Ah, auch Sie heute hier?« rief er plötzlich mit ganz

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