Die Dämonen
anderer, fröhlicher Stimme einem sehr jungen Menschen zu, der vergnügt auf ihn zutrat, um ihn zu begrüßen. »Ich wußte gar nicht, daß Sie ebenfalls mit dem Extrazug fahren wollten. Wohin wollen Sie denn? Zur Mama?«
Die Mutter des jungen Mannes war eine sehr reiche Gutsbesitzerin im Nachbargouvernement, und der junge Mensch war ein entfernter Verwandter Julija Michailownas und hatte sich in unserer Stadt besuchsweise vierzehn Tage lang aufgehalten.
»Nein, ich fahre weiter; ich will nach R***. Da werde ich acht Stunden im Waggon zubringen müssen. Sie reisen nach Petersburg?« fragte der junge Mensch lachend.
»Woher vermuten Sie, daß ich gerade nach Petersburg will?« versetzte Peter Stepanowitsch, ebenfalls lachend und sogar noch offenherziger.
Der junge Mann drohte ihm mit einem Finger seiner behandschuhten Hand.
»Nun ja, Sie haben es erraten,« flüsterte ihm Peter Stepanowitsch geheimnisvoll zu; »ich fahre mit Briefen von Julija Michailowna hin und muß dort bei drei, vier Leuten herumlaufen, Sie können sich wohl denken, bei was für welchen; offen gesagt, hol die Kerle der Teufel! Eine nichtswürdige Obliegenheit!«
»Aber sagen Sie nur, warum ist sie denn so ängstlich?« fragte der junge Mann, ebenfalls flüsternd. »Gestern hat sie nicht einmal mich zu sich gelassen; meiner Ansicht nach braucht sie für ihren Mann keine Besorgnisse zu hegen; im Gegenteil, er ist ja doch bei der Feuersbrunst in sehr gut aussehender Weise zu Fall gekommen, indem er sozusagen sogar sein Leben opferte.«
»Na, das lassen Sie nur gut sein!« erwiderte Peter Stepanowitsch lachend. »Sehen Sie, sie fürchtet, daß von hier aus bereits dorthin geschrieben ist ... das heißt von seiten gewisser Herren ... Kurz, die Hauptsache dabei ist Stawrogin; das heißt Fürst K***. Ach, das ist eine ganze Geschichte; ich werde Ihnen, wenn Sie mögen, unterwegs einiges davon mitteilen, – soviel mir die Ritterlichkeit erlaubt ... Das hier ist ein Verwandter von mir, Fähnrich Erkel, aus dem Kreise.«
Der junge Mann blickte Erkel von der Seite an und berührte flüchtig seinen Hut; Erkel erwiderte die Verbeugung.
»Ja, wissen Sie, Werchowenski, acht Stunden im Waggon, das ist ein gräßliches Schicksal. Da fährt mit mir in der ersten Klasse ein Oberst Berestow, ein sehr komischer Herr, mein Gutsnachbar: seine Frau ist eine geborene Garina
(née de Garine),
und wissen Sie, er ist ein ordentlicher Mensch. Er hat sogar eigene Gedanken. Er hat sich hier nur zwei Tage aufgehalten. Er ist ein leidenschaftlicher Whistfreund; wollen wir ihn nicht auffordern, wie? Einen vierten Mann habe ich auch schon im Auge: Pripuchlow, einen bärtigen Kaufmann aus unserm T***, einen Millionär, das heißt einen wirklichen Millionär, sage ich Ihnen ... ich werde Sie vorstellen; er ist ein höchst interessanter Geldsack; wir werden etwas zu lachen haben.«
»Whist spiele ich sehr gern und besonders im Waggon; aber ich fahre zweiter Klasse.«
»Ach was, reden Sie nicht, das geht nicht! Setzen Sie sich zu uns! Ich werde sofort Ihren Übergang in die erste Klasse bewerkstelligen. Der Zugführer wird mir schon den Willen tun. Was haben Sie bei sich? Eine Reisetasche? Ein Plaid?«
»Wundervoll! Gehen wir!«
Peter Stepanowitsch nahm seine Reisetasche, sein Plaid und ein Buch und siedelte sogleich mit der größten Bereitwilligkeit in die erste Klasse über. Erkel war dabei behilflich. Das dritte Glockenzeichen ertönte.
»Nun, Erkel,« sagte Peter Stepanowitsch und streckte eilig noch aus dem Wagenfenster zum letzten Male die Hand hinaus, mit einem Gesichte, als sei er anderweitig in Anspruch genommen, »da werde ich mich denn mit den Herren zum Kartenspiel hinsetzen.«
»Aber wozu erklären Sie mir das, Peter Stepanowitsch? Ich verstehe es ja, ich verstehe alles, Peter Stepanowitsch.«
»Nun, also auf frohes Wiedersehen,« versetzte dieser und wandte sich schnell infolge eines Anrufes von seiten des jungen Mannes ab, der ihn rief, um ihn den Mitspielern vorzustellen.
Und Erkel sah seinen Peter Stepanowitsch nie wieder.
Er kehrte sehr niedergeschlagen nach Hause zurück. Nicht daß er gefürchtet hätte, Peter Stepanowitsch werde sie so plötzlich verlassen; aber ... aber dieser hatte sich so schnell von ihm abgewandt, als ihn der junge Stutzer gerufen hatte, und ... er hätte zu ihm doch noch etwas anderes sagen können als nur »Auf frohes Wiedersehen« oder ... oder ihm wenigstens fester die Hand drücken können.
Letzteres war die
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