Die Dämonen
er sich natürlich sicherer; aber als er ihn eingeholt hatte, vergaß er sofort alles wieder und versank von neuem in seine fragmentarischen Gedanken und Vorstellungen. Er schritt dahin und ahnte natürlich nicht, daß er für den Bauer und dessen Frau in diesem Augenblicke den rätselhaftesten und interessantesten Gegenstand bildete, den man auf der Landstraße treffen kann.
»Was sind Sie denn für einer, wenn es nicht unhöflich ist, danach zu fragen?« konnte sich die Frau schließlich nicht enthalten zu fragen, als Stepan Trofimowitsch sie plötzlich in seiner Zerstreutheit anblickte.
Es war eine Frau von etwa siebenundzwanzig Jahren, kräftig gebaut, mit schwarzen Augenbrauen, frischer Gesichtsfarbe und freundlich lächelnden roten Lippen, aus denen die weißen, gleichmäßigen Zähne hervorschimmerten.
»Sie ... Sie wenden sich an mich?« murmelte Stepan Trofimowitsch verwundert und kummervoll.
»Gewiß ein Kaufmann,« sagte der Bauer zuversichtlich.
Er war ein großgewachsener Mann von etwa vierzig Jahren, mit breitem, klugem Gesichte und rötlichem breitem Barte.
»Nein, Kaufmann eigentlich nicht, ich ... ich ...
moi c'est autre chose,
« antwortete Stepan Trofimowitsch, der Frage notdürftig ausweichend, und blieb für jeden Fall ein wenig vom Hinterteile des Wagens zurück, so daß er nun neben der Kuh ging.
»Sie müssen wohl ein Vornehmer sein,« urteilte der Bauer, der die nicht-russischen Worte gehört hatte, und schüttelte die Zügel.
»So kommen Sie uns auch ganz vor, wie wenn Sie einen Spaziergang machten!« bemerkte wieder neugierig die junge Frau.
»Soll das ... soll das eine Frage sein?«
»Die reisenden Ausländer pflegen auf der Bahn zu kommen; Sie haben auch solche Stiefel an, wie sie hier nicht getragen werden ...«
»Militärstiefel,« fügte selbstzufrieden und nachdrücklich der Bauer hinzu.
»Nein, ich bin eigentlich kein Militär, ich ...«
»Was für eine neugierige Frau,« dachte Stepan Trofimowitsch ärgerlich bei sich, »und wie sie mich ansehen ...
mais enfin ...
Kurz, es ist seltsam, daß ich vor ihnen gewissermaßen wie ein Schuldiger dastehe, und ich habe doch nichts gegen sie begangen.«
Die Frau flüsterte mit dem Bauer.
»Wenn Sie es nicht übelnehmen, so möchten wir Sie einladen aufzusteigen, falls es Ihnen angenehm ist.«
Stepan Trofimowitsch sammelte auf einmal seine Gedanken.
»Ja, ja, meine Freunde, ich nehme es mit großem Vergnügen an, da ich sehr müde bin; aber wie soll ich da hinaufkommen?«
»Wie wunderlich,« dachte er bei sich, »daß ich so lange neben dieser Kuh hergegangen bin und es mir nicht in den Sinn gekommen ist, die Leute zu bitten, mich auf den Wagen zu nehmen ... Dieses ›wirkliche Leben‹ hat doch etwas sehr Charakteristisches.«
Der Bauer hielt jedoch sein Pferd noch nicht an.
»Wohin wollen Sie denn?« erkundigte er sich einigermaßen mißtrauisch.
Stepan Trofimowitsch verstand ihn nicht sogleich.
»Gewiß nach Chatowo?«
»Nach Chatowo? Nein, eigentlich nicht nach Chatowo ... Ich kenne den Ort auch gar nicht, obwohl ich ihn habe nennen hören.«
»Chatowo ist ein Kirchdorf, ein Kirchdorf, neun Werst von hier.«
»Ein Kirchdorf?
C'est charmant;
mir ist, als hätte ich gerade das schon gehört ...«
Stepan Trofimowitsch ging immer noch, und sie ließen ihn immer noch nicht aufsteigen. Ein genialer Gedanke blitzte plötzlich in seinem Kopfe auf.
»Vielleicht glauben Sie,« sagte er, »daß ich ... Ich habe einen Paß, und ich bin Professor, das heißt, wenn Sie es so nennen wollen, Lehrer, aber höherer Lehrer. Ich bin höherer Lehrer.
Oui, c'est comme ça qu'on peut traduire.
Ich würde gern mitfahren und werde Ihnen dafür ... ich werde Ihnen dafür ein halbes Stof Branntwein kaufen.«
»Einen halben Rubel möchten wir uns ausbitten, Herr; es ist schlechter Weg.«
»Weniger können Sie uns schon nicht bieten,« fiel die junge Frau ein.
»Einen halben Rubel? Nun gut, einen halben Rubel.
C'est encore mieux, j'ai en tout quarante roubles mais ...
«
Der Bauer hielt an, und Stepan Trofimowitsch wurde durch die vereinten Anstrengungen der beiden auf den Wagen hinaufgezogen und dort neben die Frau auf den Sack gesetzt. Der Wirbelsturm von Gedanken verließ ihn noch immer nicht. Zeitweilig hatte er selbst die Empfindung, daß er furchtbar zerstreut sei und nicht an das denke, woran er denken müsse, und wunderte sich darüber. Dieses Bewußtsein seiner krankhaften Denkschwäche war ihm in einzelnen Augenblicken sehr
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