Die Dämonen
schnell!« Sie entschieden sich für Fischsuppe und ein gebratenes Huhn; die Wirtin versicherte zwar, im ganzen Dorfe sei kein Huhn zu bekommen, erklärte sich aber bereit, auf die Suche zu gehen, jedoch mit einer Miene, als ob sie ihnen die größte Gefälligkeit erwiese.
Kaum war sie hinausgegangen, als Stepan Trofimowitsch sich sofort auf das Sofa setzte und Sofja Matwejewna veranlaßte, neben ihm Platz zu nehmen. In der Stube befanden sich sowohl ein Sofa als Lehnstühle; aber diese Möbel sahen abstoßend aus. Überhaupt stellte das ganze, ziemlich geräumige Zimmer (durch eine Halbwand war ein Teil abgebuchtet, in welchem ein Bett stand) mit den gelben, alten, zerrissenen Tapeten, mit den schrecklichen mythologischen Lithographien an den Wänden, mit der langen Reihe von Heiligenbildern und messingnen Triptychen in der vorderen Ehrenecke und mit seinem sonderbar zusammengewürfelten Mobiliar eine häßliche Mischung des städtischen und des uraltbäuerlichen Elementes dar. Aber er warf auf all das nicht einmal einen Blick und sah auch nicht durch das Fenster nach dem gewaltigen See hin, der etwa dreißig Schritte von dem Hause begann.
»Endlich sind wir allein, und wir werden niemand hereinlassen! Ich will Ihnen alles erzählen, alles von Anfang an.«
Sofja Matwejewna hielt ihn mit starker Unruhe davon zurück:
»Ist Ihnen auch wohl bekannt, Stepan Trofimowitsch ...«
»Comment, vous savez déjà mon nom?«
fragte er, erfreut lächelnd.
»Ich habe ihn vorhin von Anisim Iwanow gehört, als Sie mit ihm sprachen. Ich möchte mir meinerseits erlauben, Ihnen etwas mitzuteilen ...«
Und indem sie nach der geschlossenen Tür hinblickte, damit niemand horche, flüsterte sie ihm eilig zu, hier in diesem Dorfe sei eine sehr üble Wirtschaft. Die Einwohner des Ortes seien zwar Fischer, erwürben sich aber ihren Unterhalt besonders dadurch, daß sie in jedem Sommer den bei ihnen logierenden Fremden ganz phantastische Preise abnähmen. Der Landweg führe nicht durch das Dorf hindurch, sondern ende hier, und die Fremden kämen lediglich deswegen her, weil hier der Dampfer anlege; wenn nun der Dampfer ausbleibe (und bei auch nur einigermaßen ungünstigem Wetter komme er unter keinen Umständen), so sammle sich hier für einige Tage viel Volk an, so daß alle Häuser im Dorfe besetzt seien, und darauf warteten die Hausbesitzer nur; denn dann nähmen sie für jeden Gegenstand den dreifachen Preis. Der Wirt dieses Hauses sei besonders stolz und hochmütig, weil er für hiesige Verhältnisse sehr reich sei; ein einziges seiner Netze sei tausend Rubel wert.
Stepan Trofimowitsch blickte der Redenden ordentlich vorwurfsvoll in das lebhaft erregte Gesicht und machte mehrmals eine Bewegung, als ob er sie unterbrechen wolle. Aber sie zeigte sich beharrlich und sprach zu Ende: nach ihrer Erzählung war sie schon im Sommer »mit einer hochadligen Dame aus der Stadt« hier gewesen; sie sagte, sie hätten hier ebenfalls zwei ganze Tage logiert, bis der Dampfer gekommen sei, und hätten so viel Ärger durchgemacht, daß die bloße Erinnerung daran schrecklich sei.
»Sehen Sie, Stepan Trofimowitsch, Sie haben dieses Zimmer für sich allein verlangt ... Ich sage es nur, um Sie zu warnen ... Dort in dem andern Zimmer sind schon Fremde, ein älterer Herr und ein junger Mensch und eine Dame mit Kindern, und morgen wird das ganze Haus bis zwei Uhr voll Menschen sein; denn da der Dampfer zwei Tage lang nicht gekommen ist, so wird er morgen bestimmt kommen. Und so werden denn die Wirtsleute für das besondere Zimmer und dafür, daß Sie von ihnen Mittagessen verlangt haben, und für die Benachteiligung der übrigen Reisenden von Ihnen einen Preis verlangen, wie er selbst in den Hauptstädten unerhört ist ...«
Aber er litt während ihrer Auseinandersetzung, litt wirklich.
»Assez, mon enfant,
ich bitte Sie dringend,
nous avons notre argent et après – et après le bon Dieu.
Ich wundere mich sogar, daß Sie bei der Höhe Ihrer Denkweise ...
Assez, assez, vous me tourmentez,«
rief er in krankhafter Aufregung. »Unsere ganze Zukunft liegt vor uns, und da wollen Sie ... da wollen Sie mir vor der Zukunft bange machen ...«
Er begann sogleich seine ganze Lebensgeschichte vorzutragen, wobei er dermaßen hastete, daß es zuerst sogar schwer war, ihn zu verstehen. Diese Geschichte dauerte sehr lange. Es wurde die Fischsuppe gebracht, dann das Huhn, schließlich auch der Samowar; aber er redete immer noch ... Sein Reden machte einen etwas
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