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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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die Obrigkeit zu benachrichtigen, »da es überdies in der Stadt nicht ganz ruhig sei«. Aber gerade da klärte Anisim alles auf. Sowie er auf den Flur kam, teilte er allen, die es hören wollten, mit, Stepan Trofimowitsch sei eigentlich kein Lehrer, sondern ein sehr großer Gelehrter und beschäftige sich mit hohen Wissenschaften; er habe selbst in der Gegend ein Gut besessen, wohne schon zweiundzwanzig Jahre bei der Generalin Stawrogina, wo er die wichtigste Person im Hause sei, und werde in der Stadt von allen Leuten außerordentlich hoch geachtet. Im adligen Klub habe er an einem einzigen Abend hundertfünfzig Rubel verspielt; im Range sei er Rat, was beim Militär einem Oberstleutnant gleichstehe und nur eine Stufe niedriger sei als ein Oberst. Und Geld habe er durch die Generalin Stawrogina wie Heu, und so weiter und so weiter.
    »Mais c'est une dame et très comme il faut,«
dachte Stepan Trofimowitsch, der sich von Anisims Überfall erholte und mit vergnüglicher Neugier seine Nachbarin, die Bücherverkäuferin, beobachtete, die übrigens wie die gewöhnlichen Leute den Tee aus der Untertasse trank und dazu von einem Stück Zucker abbiß. »
Ce petit morceau de sucre ce n'est rien ...
Sie hat etwas Vornehmes und Selbständiges an sich und gleichzeitig etwas Ruhiges.
Le comme il faut tout pur,
aber nur in etwas anderem Genre.«
    Er erfuhr bald von ihr, daß sie Sofja Matwejewna Ulitina heiße und eigentlich in K*** wohne, wo sie eine verwitwete Schwester habe, eine Kleinbürgerin; sie selbst sei ebenfalls Witwe; ihr Mann sei nach längerer Dienstzeit vom Feldwebel zum Unterleutnant befördert worden dann aber in Sewastopol gefallen.
    »Aber Sie sind noch so jung;
voud n'avez pas trente ans.
«
    »Vierunddreißig,« antwortete Sofja Matwejewna lächelnd.
    »Wie? Sie verstehen auch französisch?«
    »Ein wenig; ich habe nachher vier Jahre in einem adligen Hause gelebt und es da von den Kindern gelernt.«
    Sie erzählte, sie sei im Alter von nur achtzehn Jahren Witwe geworden, sei dann eine Zeitlang in Sewastopol als Barmherzige Schwester tätig gewesen, habe darauf an verschiedenen Orten gelebt und ziehe jetzt umher und verkaufe Neue Testamente.
    »
Mais mon Dieu,
sind Sie nicht die Bücherverkäuferin, mit der in unserer Stadt eine sonderbare, sehr sonderbare Geschichte passiert ist?«
    Sie wurde rot; es stellte sich heraus, daß sie es gewesen war.
    »Ces vauriens, ces malheureux! ...«
begann er mit einer Stimme, die vor Empörung zitterte. Eine schmerzliche, verhaßte Erinnerung wurde in seinem Herzen rege und peinigte ihn. Für eine Weile versank er vollständig in seine Gedanken.
    »Ah, sie ist wieder weggegangen,« sagte er zu sich, als er wieder zur Besinnung kam und bemerkte, daß sie nicht mehr bei ihm war. »Sie geht oft hinaus und muß mit etwas beschäftigt sein; ich bemerke, daß sie sich sogar in einer gewissen Aufregung befindet ...
Bah, je deviens égoïste!
«
    Er blickte auf und sah wieder Anisim, aber diesmal mit einer höchst bedrohlichen Umgebung. Die ganze Stube war voll von Bauern, die offenbar sämtlich Anisim mitgeschleppt hatte. Da war der Besitzer des Hauses und der Bauer mit der Kuh, noch zwei Bauern (wie sich herausstellte, Lohnkutscher) und ferner noch ein kleiner, halbbetrunkener Mensch in bäuerlicher Kleidung, aber mit glattrasiertem Gesichte, der wie ein durch den Trunk heruntergekommener Kleinbürger aussah und mehr redete als alle andern. Und alle redeten sie von ihm, Stepan Trofimowitsch. Der Bauer mit der Kuh beharrte auf seiner Behauptung, daß es am Ufer entlang ein Umweg von vierzig Werst sei, und daß der Herr unbedingt mit dem Dampfer fahren müsse. Der halbbetrunkene Kleinbürger und der Hauswirt widersprachen ihm hitzig:
    »Allerdings, Bruder, haben es Seine Hochwohlgeboren auf dem Dampfer über den See näher; das ist richtig; aber der Dampfer wird in dieser Jahreszeit womöglich gar nicht gehen.«
    »Er geht, er geht; noch eine Woche lang wird er gehen,« rief Anisim, der sich noch mehr ereiferte als die andern.
    »Das ist so eine Sache! Und er kommt nicht pünktlich, weil es schon spät im Jahre ist; manchmal muß man in Ustjewo drei Tage lang warten.«
    »Morgen wird er da sein; morgen pünktlich um zwei Uhr wird er da sein. Noch vor Abend werden Sie nach Spasow kommen, gnädiger Herr!« rief Anisim, ganz außer sich.
    »Mais qu'est-ce qu'il a, cet homme?«
fragte sich zitternd Stepan Trofimowitsch, der voller Angst sein Schicksal erwartete.
    Nun traten auch die

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