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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Jetzt ist alles Schmerz und Furcht. Jetzt liebt der Mensch das Leben, weil er den Schmerz und die Furcht liebt. Das Leben wird einem jetzt gegeben zum Zwecke des Schmerzes und der Furcht, und hierin steckt der ganze Betrug. Jetzt ist der Mensch noch nicht der richtige Mensch. Es wird einen neuen Menschen geben, einen glücklichen und stolzen Menschen. Wem es ganz egal sein wird, ob er lebt oder nicht, der wird ein neuer Mensch sein. Wer den Schmerz und die Furcht überwindet, der wird selbst ein Gott sein. Und jener Gott wird dann nicht sein.«
    »Also existiert jener Gott doch nach Ihrer Ansicht?«
    »Er existiert nicht; aber Er existiert. Der Stein bereitet keinen Schmerz; aber die Furcht vor dem Stein bereitet Schmerz. Gott ist der Schmerz der Todesfurcht. Wer den Schmerz und die Furcht überwindet, der wird selbst ein Gott. Dann wird ein neues Leben sein und ein neuer Mensch; alles wird neu sein ... Dann wird man die Geschichte in zwei Teile teilen: vom Gorilla bis zur Vernichtung Gottes und von der Vernichtung Gottes bis ...«
    »Bis zum Gorilla?«
    »... bis zur physischen Umgestaltung der Erde und bis zur physischen Umgestaltung des Menschen. Der Mensch wird ein Gott sein und wird sich physisch umgestalten. Auch die Welt wird sich umgestalten, und die Dinge werden sich umgestalten und die Gedanken und alle Empfindungen. Wie denken Sie darüber: wird sich dann der Mensch physisch umgestalten?«
    »Wenn es den Menschen ganz egal sein wird, ob sie leben oder nicht, dann werden sich alle töten, und darin wird vielleicht die Umgestaltung bestehen.«
    »Das ist ganz egal. Der Betrug wird getötet werden. Jeder, der die völlige Freiheit erlangen will, muß es wagen, sich zu töten. Wer es wagt, sich zu töten, der hat das Geheimnis des Betruges erkannt. Eine höhere Freiheit gibt es nicht; das ist alles, darüber hinaus gibt es nichts. Wer es wagt, sich zu töten, der ist ein Gott. Jetzt kann jeder bewirken, daß Gott nicht existiert und nichts existiert. Aber es hat es noch nie jemand getan.«
    »Es hat doch Millionen von Selbstmördern gegeben.«
    »Aber alle haben es nicht deswegen getan, alle mit Furcht und nicht zu diesem Zwecke. Nicht um die Furcht zu töten. Wer sich nur deswegen tötet, um die Furcht zu töten, der wird sogleich ein Gott werden.«
    »Er wird dazu vielleicht keine Zeit mehr haben,« bemerkte ich.
    »Das ist ganz egal,« antwortete er leise mit ruhigem Stolze, beinah geringschätzig. »Es tut mir leid, daß Sie anscheinend sich darüber lustig machen,« fügte er nach einer halben Minute hinzu.
    »Es kommt mir sonderbar vor, daß Sie vorhin so reizbar waren und jetzt mit solcher Ruhe, wenn auch mit großem Eifer reden.«
    »Vorhin? Das war eine lächerliche Geschichte,« versetzte er lächelnd. »Ich streite nicht gern und lache niemals,« fügte er traurig hinzu.
    »Ja, Sie verbringen Ihre Nächte beim Tee gewiß nicht fröhlich.«
    Ich stand auf und griff nach meiner Mütze.
    »Meinen Sie?« fragte er lächelnd und einigermaßen erstaunt. »Warum denn? Nein, ich ... ich weiß nicht« (er geriet auf einmal in Verwirrung), »ich weiß nicht, wie es bei andern ist; aber ich habe das Gefühl, daß ich nicht so kann wie jeder. Jeder denkt daran und denkt dann gleich wieder an etwas anderes. Ich kann an nichts anderes denken; ich denke das ganze Leben über nur an das Eine. Mich hat Gott das ganze Leben über gequält,« schloß er plötzlich mit erstaunlicher Mitteilsamkeit.
    »Aber sagen Sie doch, wenn Sie die Frage gestatten, woher kommt es, daß Sie das Russische nicht korrekt sprechen? Haben Sie es wirklich im Auslande in den fünf Jahren verlernt?«
    »Spreche ich es denn inkorrekt? Ich weiß es nicht. Nein, nicht deshalb weil ich im Auslande gewesen bin. Ich habe mein ganzes Leben lang so gesprochen ... es ist mir ganz egal.«
    »Noch eine delikatere Frage: ich glaube Ihnen vollkommen, daß Sie keine Neigung haben, mit Menschen zu verkehren, und daß Sie wenig mit Menschen reden. Warum haben Sie sich dann aber mit mir jetzt in ein Gespräch eingelassen?«
    »Mit Ihnen? Sie haben vorhin so nett dabeigesessen, und Sie ... übrigens ist das ganz egal ... Sie haben eine große Ähnlichkeit mit meinem Bruder, eine sehr große, ganz außerordentliche,« sagte er errötend. »Er starb vor sieben Jahren; der älteste; eine sehr, sehr große.«
    »Da hat er gewiß großen Einfluß auf Ihre Denkweise gehabt?«
    »N-nein, er sprach wenig; er sagte nichts. Ich werde Ihren Zettel abgeben.«
    Er

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