Die Dämonenfängerin. Aller Anfang ist Hölle
Entscheidung, die ich treffen muss?«
Die Ärztin setzte sich auf den Rand der Badewanne und rieb sich die Arme, als sei ihr kalt. Den Blick hatte sie demonstrativ auf ihre Stiefelspitzen gerichtet.
»Wenn der Leichnam deines Dads so bleibt, wie er ist«, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme, »werden die Nekros versuchen, ihn zu stehlen. Es sei denn, du beschließt, ihn an sie zu verkaufen.«
»Ihn verkaufen? Nie im Leben!«, knurrte Riley. »Das kommt gar nicht in Frage!« Ihr Magen rebellierte erneut, und sie schluckte hart.
Carmela fing ihren Blick auf. »In diesem Fall musst du bis zum nächsten Vollmond jede Nacht Totenwache halten, damit er sicher ist.«
»Was heißt das?«
»Du bildest einen magischen Kreis, und das hält die Nekromanten davon ab, deinen Vater zu beschwören. Nach dem nächsten Vollmond können sie ihn nicht mehr erreichen.« Carmela machte eine Pause. »Es gäbe noch eine dritte Möglichkeit.«
»Und die wäre?«
»Du bittest einen der Fänger …«, die Frau holte tief Luft, »… dafür zu sorgen, dass der Leichnam deines Vaters nicht mehr … komplett ist. Wenn er nicht mehr in einem Stück wäre, hätten die Nekros kein Interesse mehr an ihm.«
Entsetzt starrte Riley sie an. »Sie meinen, ich soll Beck bitten, meinen Dad in Scheiben zu schneiden?«
»Den würde es nicht tun«, erwiderte Carmela. Ihre Stimme klang angespannt.
»Egal, wer es machen würde!« Riley runzelte die Stirn. »Können wir ihn nicht … verbrennen oder so?«
»Die Staatsgesetze verbieten die Einäscherung von Fängern, die von einem Dämon getötet wurden. Die schwafeln irgendeinen Unsinn über Kontamination oder so.«
Es war der reinste Albtraum.
»Also halte ich entweder Totenwache, oder ich muss zusehen, wie mein Vater … zerstückelt wird?«, hakte Riley nach. »Das ist so … barbarisch.«
»Ganz meine Meinung«, sagte Carmela. »Es liegt ganz bei dir. Egal, was du tust, es wird Folgen haben.«
Es gab nur eine Antwort. »Er wird so begraben, wie er gestorben ist. Ich schwöre bei Gott, wenn irgendjemand ihn anrührt …«
Ihre Besucherin seufzte erleichtert. »Genauso hätte ich mich auch entschieden. Du musst dir nur klar darüber sein, dass die nächsten Wochen ziemlich heftig werden.«
»Schlimmer als jetzt kann es auch nicht mehr werden«, murmelte Riley.
Sanft strich die Ärztin Riley eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Du wirst dich noch umschauen, Liebes.«
9. Kapitel
Riley suchte das schwarze Kleid heraus und hielt es vor sich. Seit der Beerdigung ihrer Mutter hatte sie es nicht mehr angerührt. Inzwischen reichte es ihr nur noch bis knapp über die Knie. Ihr Vater hatte das Kleid für sie besorgt, und sie erinnerte sich, dass sie es damals ziemlich unansehnlich gefunden hatte. Er hatte keine Ahnung von ihrer Kleidergröße gehabt und es zu groß gekauft. Jetzt würde es vermutlich perfekt passen, als habe er vorhergesehen, dass sie es noch einmal tragen würde.
Ein Schauder lief ihr über den Rücken und setzte sich in ihrem Nacken fest.
Unmöglich. Er konnte nicht gewusst haben, was geschehen würde.
Obwohl sie sich am liebsten auf der Couch zusammengerollt und sich in die dicke Daunendecke gekuschelt hätte, um alles zu vergessen, was dieser Abend bringen würde, zwang sich Riley, sich fertig zu machen. Schwarze Strümpfe. Schwarzes Kleid. Schwarze Stiefel. Sie öffnete den quietschenden Deckel der winzigen Schmuckschachtel mit der Ballerina und fand das Herzmedaillon, das ihr Dad ihr zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte. In seinem Inneren war ein Bild ihrer Eltern. Sie küsste das kalte Metall.
»Danke, Daddy«, flüsterte sie. Unbemerkt versickerten ihre Tränen im Kleid. Trugen die Menschen womöglich aus diesem Grund Schwarz, wenn jemand starb?
Es klopfte an der Tür.
Beck. Sie musterten einander einen Augenblick lang ernst, als fürchteten sie sich vor dem, was der andere sagen würde. Sie hatte ihn nie zuvor im Anzug gesehen. Als ihre Mutter gestorben war, hatte er gerade Urlaub vom Militärdienst gehabt und war in seiner Ausgehuniform zur Beerdigung gekommen. Er hatte sich rasiert, vermutlich keine leichte Arbeit bei den ganzen Kratzern im Gesicht. Die dunklen Ringe unter den Auge verrieten ihr, dass er nicht besser geschlafen hatte als sie. Der Hauch eines Aftershaves lag in der Luft, so etwas wie Kiefer, glaubte sie.
»Es ist so weit«, sagte er. Seine Stimme war leise und kratzig.
Sie nahm den langen Wollmantel ihrer Mutter, und Beck half ihr,
Weitere Kostenlose Bücher