Die Dämonenfängerin. Aller Anfang ist Hölle
Dad hatte sich immer um Denver Beck gekümmert. Es sah aus, als sei die Zuneigung gegenseitig gewesen.
Nachdem sie ein paar Worte mit Simon gewechselt hatte, schlug Riley den asphaltierten Weg zum Mausoleum ihrer Familie ein. Mit der hohen Turmspitze auf dem Dach sah das rote Backsteingebäude aus wie eine Miniaturkathedrale. Die Griffe an den beiden Bronzetüren hatten die Form von Löwenköpfen. Die Rückfront der Grabstätte bildete einen Halbkreis und hatte fünf Buntglasfenster, von denen jedes einen Bibelvers darstellte.
In den 1880er Jahren war ihre Familie wohlhabend gewesen, das Mausoleum war ein unbestreitbarer Beleg dafür. Einer der Blackthornes war Bankier gewesen und hatte vor dem Bürgerkrieg ein Vermögen gemacht. Seinem Wohlstand hatten seine Nachkommen dieses Bauwerk zu verdanken. Jetzt ruhten Rileys Großeltern und Urgroßeltern darin.
Aber nicht meine Eltern.
Das Mausoleum war voll, so dass ihr Vater direkt neben ihrer Mutter auf der Westseite des Grabhauses seine letzte Ruhe finden würde, von wo aus man den Sonnenuntergang sehen konnte. So hatte ihre Mutter es sich gewünscht.
Als sie Stiefel über den Asphalt schlurfen hörte, drehte Riley sich um. Sechs Männer manövrierten den Sarg vorsichtig zum Grab. Es war keine einfache Aufgabe, doch Beck ging trotz seiner Verletzungen ganz vorn. Simon trug den Sarg auf der anderen Seite. Einer der Männer begann zu singen, und sein Tenor schallte über den ganzen Friedhof:
»Swing low, sweet chariot,
Coming for to carry me home …«
Ihr Dad hatte dieses Lied immer gemocht, besonders den Teil über die Gruppe Engel, die ihn nach Hause holen würde. Heute Abend waren keine Engel hier, zumindest konnte sie keine entdecken, aber er war trotzdem nicht allein. Einige Fänger bildeten ein Ehrenspalier, die Hände vorne gefaltet. Die beiden übriggebliebenen Vorsteher der Zunft standen in der vorderen Reihe. Harper wich ihrem Blick aus, aber Meister Stewart sah ihr in die Augen. Er war in vollem schottischem Ornat gekommen und hatte einen Dudelsack unter den Arm geklemmt.
Eine weitere Gruppe Männer stand in einiger Entfernung, aber keiner von ihnen kam Riley bekannt vor. Carmela beugte sich zu ihr, als sie ihre Verwirrung bemerkte. »Dämonenhändler. Feuerwehr-Jack ist derjenige im dunkelblauen Anzug. Er und dein Dad waren gute Freunde.«
Rileys Blick wanderte unwillkürlich zu dem Mann, den Carmela ihr gezeigt hatte. Er nickte ihr zu. Jetzt, wo sie wusste, wer er war, erinnerte sie sich, dass ihr Dad gesagt hatte, Jack trage ständig blau-weiß-rot gestreifte Hosenträger, das sei sein Erkennungszeichen. Jetzt konnte Riley sie nicht sehen, vermutlich waren sie unter seiner Anzugjacke verborgen.
Jemand berührte sie am Ellenbogen – es war MrsLitinsky. Sie trug einen königsblauen Mantel, das Haar hatte sie geflochten und zu einem festen Haarknoten hochgesteckt. Riley lächelte ihr matt zu. Im besten Fall waren dreißig oder vierzig Leute hier. Sie hätte sie alle eingetauscht, nur um
seine
Stimme noch ein einziges Mal zu hören.
Sobald der Sarg aufgebahrt war, stellte Beck sich neben sie. Unbeholfen bot er ihr seine Hand, und Riley nahm sie. Seine Gefühle hatte er wieder fest im Griff. Riley hatte keine Ahnung, wie er das so einfach hinbekam.
Der Priester der Zunft, Vater Harrison, nahm seinen Platz vor dem Sarg ein. Er war noch nicht alt und sah mit den dunkelbraunen Haaren und Augen ziemlich jungenhaft aus. Es war Tradition, dass der Priester den Trauergottesdienst abhielt, auch wenn der Verstorbene nicht katholisch war.
Er begann, über ihren Vater zu sprechen. Paul Blackthorne hatte sich stets bemüht, jüngeren Kollegen etwas beizubringen, und er besaß dieses ruhige Gespür für die Vorbestimmtheit des Lebens.
»So einen Mann zu verlieren veranlasst uns vielleicht zu der Frage, wo denn da Gottes Gnade bleibt. Ich glaube, dass Paul nach Hause gerufen wurde, weil seine Arbeit beendet war. Er bekämpfte das Heer der Dunkelheit und fiel im Kampf, aber in unseren Herzen wird er stets lebendig bleiben. O Herr, in deiner Gnade, gewähre ihm ewige Ruhe.«
»Amen«, murmelte Riley zusammen mit den anderen.
Vater Harrison blickte zu Beck hinüber. »Und wir wollen dem Herrn dafür danken, dass wir nicht den Verlust eines weiteren Mannes zu beklagen haben.«
Beck senkte den Blick, als sei es ihm peinlich, dass er noch atmete.
Was, wenn er ebenfalls gestorben wäre?
Der Gedanke ließ Riley erschaudern. Als Reaktion darauf legte Beck
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