Die Dämonenfängerin. Aller Anfang ist Hölle
paar Würstchen. »Komm schon, Mädel, du musst was essen.«
Sie starrte das Essen an und wünschte, es würde verschwinden, genau wie derjenige, der es zubereitet hatte. Als Beck den Stuhl ihres Vater hervorzog, um ihr Gesellschaft zu leisten, schnauzte sie ihn an: »Da kannst du nicht sitzen!«
Eine Sekunde sah er sie verwirrt an, dann nickte er, als verstünde er, dass es um mehr ging als einen Platz am Tisch.
»Halt die Türen verschlossen. Wenn du mich brauchst, ruf an. Um vier bin ich wieder da. Die Beerdigung ist um halb fünf. Pack ’ne Tasche für’n Friedhof. Du bleibst heute Nacht da.«
»Warum soll ich da …«
Doch er war bereits zur Tür raus. Riley wartete, bis sie seine Schritte auf der Treppe hörte, ehe sie die Tür absperrte. Dann trat sie so heftig dagegen, dass ihr die Zehen wehtaten.
Er hatte die Beerdigung ohne sie geplant. Wie konnte er es wagen? Leise vor sich hin schimpfend ging sie zurück in die Küche. Der leere Stuhl ihres Dads schien sie zu verhöhnen. Sie schob ihn ganz unter den Tisch, damit niemals wieder jemand darauf sitzen konnte.
Obwohl ihr Vater gestern nach der nächtlichen Jagd müde gewesen war, hatte er bei ihr gesessen und sich bei einer Tasse Kaffe mit ihr unterhalten, während sie frühstückte. Seine Haare waren noch nass vom Duschen gewesen und hatten nach billigem Shampoo gerochen.
Sie hatte ihren letzten gemeinsamen Morgen vergeudet. Sie hatte über Peters jüngsten Streit mit seiner herrschsüchtigen Mutter geschwafelt und über diese blöde
Dämonenland
-Fernsehserie. Er hatte geduldig zugehört, als sei alles, was sie sagte, tatsächlich wichtig.
Als ihm die Augen zugefallen waren, hatte er sie auf die Stirn geküsst und war ins Bett gegangen. »Schichtschlafen« nannte er das. Er hatte immer laut geschnarcht, und gestern hatte sie versucht herauszufinden, wo er sein Handbuch gebunkert hatte. Doch wie immer war es zu gut versteckt gewesen. Jetzt fragte sie sich, ob sie es jemals finden würde.
Ihr letzter gemeinsamer Morgen. Und keiner von ihnen hatte es gewusst.
Als Riley nach unten schaute, war das Essen längst kalt geworden. Das Fett auf dem Teller war fest geworden. Irgendwo piepte es. Das Geräusch lenkte ihren Blick auf das Handy ihres Dads, das neben den Salz- und Pfefferstreuern lag. Beck musste es für sie zurückgelassen haben. Das Display zeigte einen fast leeren Akku an, weshalb das Ding gelegentliche Warntöne von sich gab. Sie klappte das Telefon auf und las die Nachrichten. Die SMS , die sie ihm letzte Nacht wegen der Elster geschickt hatte, stand ganz oben in der Liste.
Er hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, sie zu lesen.
*
Es war fast zwei Uhr, als ihre nächste Besucherin kam. Eine große Brünette, die einen Rucksack mit dem Zunftlogo mitschleppte. Ihr Haar war zu einem festen Zopf geflochten, und die braunen Augen hatten rote Ränder. Sie trug schwarze bequeme Hosen, Rollkragenpullover und eine dieser dicken roten gefütterten Westen.
»Riley, ich bin Carmela Wilson«, sagte die Frau. »Ich bin die Ärztin der Zunft. Ich war eine … Freundin deines Dads.«
Als Riley nichts darauf erwiderte, fügte die Ärztin hinzu: »Den hat mich gebeten, nach dir zu sehen.«
Riley brauchte einen Moment, um zu kapieren, dass sie von Beck sprach.
»Es geht mir gut«, sagte Riley reflexartig. Es war einfacher, so zu tun, als sei alles in Ordnung, damit die anderen nicht ausflippten. Sie wollte schon die Tür schließen, doch Carmela stellte einen Fuß dazwischen.
»Jemand anders würde dir diesen Spruch vielleicht abkaufen, aber ich halte ihn für ziemlichen Bockmist. Mir geht es schon nicht gut mit Pauls Tod, also nehme ich an, dass du durch die Hölle gehen musst. Stimmt’s?«
Riley nickte, ehe sie sich zurückhalten konnte.
»Dacht ich’s mir doch.«
Riley wich zurück, und die Frau betrat die Wohnung, erfasste den vollgestopften Raum mit einem Blick und ging schließlich in die Küchenecke, wo sie ihren Rucksack auf den Tisch plumpsen ließ. Sie ließ sich auf den nächsten Stuhl sinken. Es war Rileys.
»Als Erstes möchte ich mir den Dämonenbiss ansehen, den du dir gestern eingefangen hast«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Das ertrage ich nicht. Nicht jetzt.
Riley begann sich in Richtung Schlafzimmer zurückzuziehen.
»Ich habe meinen Dad verloren, als ich zehn war«, erklärte Carmela und sah Riley in die Augen. »Ich weiß, was du durchmachst, und mache dir nichts vor.«
Riley erstarrte, hin- und
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