Die Dämonenfängerin. Aller Anfang ist Hölle
ließ sich neben Simon auf den Boden fallen. Und es wäre um einiges schwieriger gewesen, wenn er nicht hier gewesen wäre.
»Sobald du es ein paarmal gemacht hast, ist es nicht mehr der Rede wert. Es ist schwerer, wenn man ganz allein ist.«
Sie blickte zu ihm hinüber. »Wo hast du das alles gelernt?«
»Ich komme aus einer großen Familie. Irgendjemand stirbt immer, also hat mein Onkel mir beigebracht, wie man eine Anrufung macht. Er ist Priester.«
Eine große Familie.
Wie das wohl war? Sie war immer allein gewesen. Ihre Mom hatte stets Witze darüber gemacht, warum sie es noch einmal versuchen sollten, nachdem der erste Versuch schon so perfekt gelungen war. Riley hatte immer vermutet, dass noch mehr dahintersteckte.
»Ich bin ein Einzelkind«, sagte sie und schnitt eine Grimasse. Das wusste er doch.
Simon tat nicht so, als hätte sie etwas Dummes gesagt. »Das will ich auch manchmal sein. Ich habe vier Schwestern und drei Brüder.«
»Wie ist das, mit so vielen Leuten in einem Haus?«
»Wie in einem Bienenstock. Wir haben einen Stundenplan für die beiden Badezimmer. Meine Schwestern sind am schlimmsten.«
Riley lachte leise und fragte sich, ob das stimmte. Sein Haar sah zu gut aus, als dass es das Ergebnis einer schnellen Haarwäsche und einer halben Minute unterm Fön sein könnte. Sie zerrte an ihrem Mantel herum, bis er ihre Beine bedeckte. Glücklicherweise war es windstill. Und trocken. Den Kerzen würde es nicht schaden, aber für die Person, die im Kreis festsaß, wäre es um einiges ekliger. In der Ferne hing ein blasser Dunstschleier über der Stadt. Sie konnte die Wolkenkratzer der Innenstadt von Atlanta sehen, zumindest ein paar Fenster waren auch in der Nacht erleuchtet. Das hohe Jaulen einer U-Bahn, die Richtung Osten fuhr, hallte zu ihnen herüber.
Sie wartete darauf, dass Simon etwas sagte. Doch er starrte einfach nur ins Nichts. Es würde eine lange Nacht werden, wenn er den Mund nicht aufmachte.
»Wie alt bist du?«, fragte sie, entschlossen, die Stille zu beenden.
»Gerade zwanzig geworden. Und du?«
»Siebzehn.«
»Du bist ein bisschen jünger als meine Schwester Amy. Sie hat letzten Sommer geheiratet.« Er machte eine Pause und sah sie fragend an. »Was wirst du anfangen, jetzt, wo du ganz allein bist?«
Ganz allein.
»Weiß nicht. Da wäre noch die Schwester meiner Mutter. Sie lebt in Fargo.«
»Du könntest deine Ausbildung dort fortsetzen.«
»Das würde sie nie zulassen. Sie gibt meinem Dad die Schuld am Tod meiner Mom, als hätte er ihr den Krebs höchstpersönlich eingepflanzt oder so. Eine eklige Frau. Ich könnte nicht bei ihr leben. Nie im Leben.«
»Bei wem willst du denn bleiben?«, bohrte Simon.
»Ich weiß nicht. Sonst gibt es niemanden.«
»Nun, ich bin sicher, dass Beck dir helfen wird, so gut er kann.«
Sie hörten Schritte. Der Mann, der sich ihnen näherte, war ebenso kurz wie breit. Sein Trenchcoat berührte beinahe den Boden, und er trug einen weichen Filzhut.
»Ist das ein Nekro?«, flüsterte Riley.
»Gut möglich«, erwiderte Simon. »Pass bloß auf. Sie können ziemlich hinterhältig sein.«
Der Mann blieb direkt vor dem Kreis stehen und tippte sich an den Hut.
»Ich wünsche Ihnen einen guten Abend«, sagte er.
»Guten Abend«, gab Simon zurück. Er war zu jedermann höflich, selbst zu jemandem, der mit dem Verkauf von Leichen sein Geld verdiente.
»Mein Name ist Mortimer Alexander, und ich bin ein lizenzierter Totenbeschwörer«, verkündete der Neuankömmling stolz.
»Schade eigentlich. Ich hatte gehofft, Sie wären der Pizzabote«, witzelte Riley.
Die Andeutung eines Lächelns huschte über das Gesicht des Mannes. »Leider nein«, antwortete er prompt und sachlich. »Zunächst einmal möchte ich Ihnen mein Beileid für Ihren kürzlich erlittenen Verlust aussprechen.«
»Äh, danke.«
»Doch langsam wird es Zeit, praktisch zu denken. Ihr lieber Angehöriger befindet sich jetzt an einem besseren Ort«, fuhr der Nekromant fort und machte eine vage Handbewegung in Richtung Himmel. »Seine sterbliche Hülle indes kann noch dem Wohl der Gemeinschaft dienen.« Er wühlte in seiner Tasche und befragte ein Stück Papier. »Wie ich sehe, hat Mr Blackthorne gelegentlich für gemeinnützige Zwecke gespendet. Möglicherweise können wir zu einer Übereinkunft kommen, dass ich in seinem Namen eine bestimmte Summe spende und er dafür im Austausch eine gewisse Zeit als bezahlter Dienstbote zur Verfügung steht.«
»Nun«, begann Riley. Warum
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