Die Dämonenfängerin. Aller Anfang ist Hölle
Gedanken darüber zu machen, wie diese lange Nacht verlaufen würde. Sie war nicht besonders gut darin, zu frieren und stillzusitzen. Und auf Campen stand sie eigentlich auch nicht. Dann war da noch Simon. Im Grunde kannte sie ihn gar nicht. Was, wenn er ein Spinner oder so was war? Auf der Stelle schob sie den Gedanken beiseite. Ihr Dad war der Meinung gewesen, er sei in Ordnung. Dann überkam sie die nächste Sorge.
»Was ist, wenn ich …« Sie seufzte. »Was, wenn ich mal auf Klo muss?«
Anders als erwartet grinste Beck nicht. »Im Keller vom Friedhofsbüro sind Toiletten. Die Tür ist abgeschlossen, aber der Code ist hier drin.« Er deutete auf die Broschüre, die Simon in der Hand hielt.
Aha.
Beck holte tief Luft. »Was immer du tust, mach den Kreis nicht kaputt. Wenn du gegen eine Kerze trittst oder nicht ordentlich aus dem Kreis rausgehst, kannste die Sache vergessen. Kapiert?«
Sie nickte.
»Haste wirklich alles verstanden?«, drängte er.
Sie blickte ihn finster an. »Ich bin kein Dummkopf.«
Simons Grinsen verschwand rasch, als der andere es bemerkte.
»So einfach ist das nicht. Die Nekros haben alle möglichen Scheißtricks auf Lager.« Beck schaute zu Simon hinüber. »Du bist für sie verantwortlich.«
Riley biss die Zähne zusammen.
»Ich werde auf sie beide aufpassen. Versprochen«, sagte Simon friedfertig.
»Das will ich dir auch geraten haben.« Beck machte auf dem Absatz kehrt und marschierte los in Richtung Truck, angetrieben von Gefühlen, die Riley nicht begriff.
»Trottel«, murmelte sie.
»Er ist schon in Ordnung«, erwiderte Simon. »Er sorgt sich nur um dich und deinen Dad.«
Der junge Fänger entzündete eine Kerosinlaterne und stellte sie auf eine ebene Stelle auf den Boden. »Er sagte, dass du so was nie vorher gemacht hast. Stimmt das?«
Sie nickte. »Mom ist an Krebs gestorben. Das war nicht schön.«
Sein Blick wurde weich. »Das tut mir leid.« Sie zuckte die Achseln, als sei es keine große Sache, aber das war gelogen.
»Alles, was du wissen musst, steht hier drin«, sagte er und deutete auf die Broschüre. »Es gibt ein paar Beispiele für Anrufungen, aber du kannst auch eine nehmen, die eine besondere Bedeutung für dich hat.«
»Zum Beispiel?«
»Manche Menschen erwecken den Kreis zum Leben, indem sie die Namen der Erzengel rezitieren, andere benutzen Footballteams. Was zählt, ist dein Vorsatz.«
Vorsatz.
»Okay.«
»Die Macht eines Nekros ist nachts stärker, so dass du den Kreis jeden Abend vor Sonnenuntergang neu beschwören musst. Egal, ob es regnet oder was auch immer.«
»Und was geschieht tagsüber?«
»Der Friedhof hat freiwillige Helfer, die während des Tages Totenwache halten.«
»Kostet das was?«, fragte Riley. Geld war mehr ein Thema als je zuvor.
»Die Zunft kommt dafür auf. Sie hat aber nicht genügend Mittel, um eine Wache rund um die Uhr abzudecken. Sie gehen davon aus, dass die Familie die Nachtstunden übernimmt.«
»Verstehe.« Sie dachte einen Moment nach. »Warum hat sich vor der Beerdigung kein Nekro an Dad herangemacht?«
»Soweit ich weiß, hat ihr Bann keine Wirkung, wenn sie die Verstorbenen vor dem ersten Sonnenuntergang beschwören.«
»Ach so. Wie funktioniert das alles eigentlich?«, fragte sie und wurde mit jeder Minute nervöser. Was, wenn sie irgendwie Mist baute?
Simon blickte auf die Broschüre hinunter und deutete auf ein Fünfliterplastikfass. »Ziehe innerhalb des Rings aus Kerzen einen Kreis aus Weihwasser.«
Riley brach das Siegel, schraubte den Deckel ab und ließ das Wasser wie angewiesen auf den Boden tropfen. Wie ein Gnom vornübergebeugt zu laufen war nicht gerade die bequemste Haltung, und als sie den Kreis vollendet hatte, verkrampfte sich ihr Rücken bereits.
»Jetzt noch einmal in der anderen Richtung.«
Riley stöhnte und tat, was er verlangte.
»Das sind keine gewöhnlichen Kerzen«, sagte sie und musterte eine genauer. Der Docht sah eher aus wie ein gerolltes Metallseil und nicht wie verdrehte Textilfaser. Die Kerze war kurz, wie eine Votivkerze.
»Nein, es sind ganz besondere. Der Friedhof hat noch mehr davon, falls du den Kreis größer machen willst. Sie verlangen nichts dafür, aber sie sehen es gern, wenn man dafür spendet.«
Er gab ihr neue Anweisungen. »Stell jetzt die Kerzen auf den Weihwasserkreis. Vergewissere dich, dass sie denselben Abstand zueinander haben.«
Sie beugte sich wieder nach vorn. Als sie eine Pause machte, um sich auszuruhen, drängte Simon sie, weiterzumachen.
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