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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Helligkeit.
     
    Niemand vermochte einzuschätzen, wie lange das dauerte. Denn es war unwirklich.
    Wie ein Traum.
     
    Das Einhorn, das in dem dichter werdenden Nebel fast verschwamm, wieherte, schlug mit dem Huf, warf mehrmals den Kopf mit dem Horn zur Seite, als wolle es auf etwas zeigen. Triss schaute hin. Unter dem Dach der über den See hängenden Weidenzweige erblickte sie auf dem Wasser eine schwarze Silhouette. Es war ein Boot.
    Das Einhorn zeigte abermals mit dem Horn dorthin. Und begann, im Nebel zu verschwinden.
    »Kelpie«, sagte Ciri. »Folge ihm.«
    Kelpie schnaubte. Sie riss den Kopf hoch. Und folgte gehorsam dem Einhorn. Einen Moment lang klapperten die Hufeisen über das Pflaster. Dann brach das Geräusch abrupt ab. Als sei die Stute davongeflogen, verschwunden, habe sich aufgelöst.
    Das Boot lag unmittelbar am Ufer; in Augenblicken, da sich der Nebel lichtete, konnte Triss es schon deutlich sehen. Es war ein primitiv zusammengezimmerter Kahn, unelegant und kantig wie ein großer Schweinetrog.
    »Helft mir«, sagte Ciri. Ihre Stimme klang sicher und entschlossen.
    Zunächst wusste niemand, was das Mädchen meinte, welche Art von Hilfe sie erwartete. Als Erster erfasste es Rittersporn. Vielleicht, weil er jene Legende kannte, weil er irgendwann einmal eine dichterisch bearbeitete Fassung davon gelesen hatte. Also nahm er die bewusstlose Yennefer auf die Arme. Er wunderte sich, wie grazil und leicht sie war. Er hätte schwören mögen, dass ihm jemand half, sie hochzuheben. Er hätte schwören mögen, dass er neben seiner Schulter die Achsel Cahirs spürte. Dass er aus dem Augenwinkel Milvas blonden Zopf vorbeihuschen sah. Als er die Zauberin ins Boot legte, hätte er schwören mögen, dass er Angoulêmes Hände erblickte, die die Bordwand festhielten.
    Die Zwerge trugen den Hexer; ihnen half Triss, die seinen Kopf stützte. Yarpen Zigrin blinzelte gerade, denn für eine Sekunde hatte er die Gebrüder Dahlberg gesehen. Zoltan Chivay hätte schwören mögen, dass, als sie den Hexer ins Boot legten, Caleb Stratton half. Triss Merigold hätte ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, dass sie das Parfüm von Lytta Neyd roch, die man die Koralle nannte. Und einen Moment lang sah sie im Dunst die hellen, gelbgrünen Augen von Coën aus Kaer Morhen.
    Solche Streiche spielte den Sinnen jener Nebel, der dichte Nebel über dem See Eskalott.
    »Fertig, Ciri«, sagte die Zauberin tonlos. »Dein Boot wartet.«
    Ciri strich sich die Haare aus der Stirn, schniefte. »Entschuldige mich bei den Damen von Montecalvo, Triss«, sagte sie. »Aber es geht nicht anders. Ich kann nicht hierbleiben, wenn Geralt und Yennefer fortgehen. Ich kann einfach nicht. Das müssen sie verstehen.«
    »Müssen sie.«
    »Also leb wohl, Triss Merigold. Mach’s gut, Rittersporn. Macht es alle gut.«
    »Ciri«, flüsterte Triss. »Schwesterchen   … Lass mich mit euch fahren   …«
    »Du weißt selbst nicht, worum du bittest, Triss.«
    »Werde ich dich irgendwann noch einmal   …«
    »Bestimmt«, fiel sie ihr entschieden ins Wort.
    Sie stieg ins Boot, das zu schwanken begann und sofort davonglitt. Im Nebel verschwand. Die am Ufer Stehenden hörten nicht das geringste Plätschern, sahen weder Wellen noch eine Bewegung des Wassers. Als sei das kein Boot, sondern ein Phantom.
    Wenige Augenblicke noch sahen sie die schmale und verschwommene Silhouette Ciris, sahen, wie sie sich mit der langen Stake vom Grund abstieß, wie sie den ohnehin schon schnell dahingleitenden Kahn noch vorantrieb.
    Und dann war da nur noch der Nebel.
    Sie hat mich belogen, dachte Triss. Ich werde sie nie wiedersehen. Ich werde sie nicht wiedersehen, weil   …
Vaesse deireadh aep eigean.
Etwas endet   …
    »Etwas ist zu Ende gegangen«, sagte Rittersporn mit veränderter Stimme.
    »Etwas beginnt«, setzte Yarpen Zigrin hinzu.
    Irgendwo von der Stadt her krähte laut ein Hahn.
    Der Nebel lichtete sich rasch.
     
    Geralt öffnete die Augen, die durch die Lider hindurch vom Spiel von Licht und Schatten gereizt wurden. Er erblickte über sich Laub, ein Kaleidoskop in der Sonne flirrender Blätter. Er erblickte die Zweige, schwer von Äpfeln.
    An Schläfe und Wange spürte er eine sanfte Berührung von Fingern. Fingern, die er kannte. Die er so sehr liebte, dass es schon schmerzte.
    Auch der Bauch schmerzte, die Brust, es schmerzten die Rippen, und das enge Korsett von Verbänden überzeugte ihn nachdrücklich, dass die Stadt Riva und die dreizinkige Gabel kein Albtraum

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