Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
hier die Rede von der Vorherbestimmung war, sollst du wissen, dass ebendas deine Vorherbestimmung ist. Anfang und Ende zu sein. Verstehst du?«
Einen Moment lang zögerte sie. Doch sein flammender Blick zwang sie zu antworten. »Ich verstehe.«
»Zieh dich aus.«
Er sagte es so beiläufig, so gleichgültig, dass sie vor Zorn beinahe losgeschrien hätte. Mit zitternden Händen begann sie, die Weste aufzuknöpfen.
Die Finger gehorchten ihr nicht, die Hefteln, Knöpfchen und Bänder waren unhandlich und eng. Obwohl sich Ciri beeilte, so sehr sie nur konnte, um das alles möglichst schnell hinter sich zu bringen, dauerte das Ausziehen nervtötend lange. Doch der Elf sah nicht aus wie jemand, der es eilig hat. Als habe er wirklich die ganze Ewigkeit zur Verfügung.
Wer weiß, dachte sie, vielleicht hat er sie?
Schon ganz nackt, trat sie von einem Fuß auf den anderen; der Fußboden war kalt. Er bemerkte es, zeigte wortlos auf das Bett.
Das Bett war aus Nerzen gemacht. Aus zu großen Stücken zusammengenähten Nerzpelzen. Weich, warm, angenehm schmeichelnd.
Er legte sich vollends angezogen neben sie, sogar mit Stiefeln. Als er sie berührte, spannte sie sich unwillkürlich, ein wenig wütend auf sich selbst, denn sie war entschlossen, bis zum Schluss die Stolze und Ungerührte zu spielen. Trotzdem, was soll man groß sagen, klapperten ihr ein wenig die Zähne. Seine elektrisierende Berührung wirkte jedoch beruhigend, die Finger lehrten und befahlen. Wiesen den Weg. In dem Augenblick, alssie diese Hinweise so gut zu verstehen begann, dass sie sie beinahe vorausahnte, schloss sie die Augen und stellte sich vor, es sei Mistle. Doch es gelang ihr nicht. Denn er unterschied sich sehr von Mistle.
Mit der Hand lehrte er sie, was sie tun sollte. Er bewirkte, dass sie unter den Zärtlichkeiten weich wurde wie ein Seidenband. Er entlockte ihr einen Seufzer. Ließ sie sich auf die Lippen beißen. Einen heftigen, den ganzen Körper erschütternden Spasmus erleben.
Was er danach tat, hatte sie überhaupt nicht erwartet. Er stand auf und ging weg. Ließ sie erhitzt, schwer atmend und bebend zurück.
Er schaute sich nicht einmal um.
Das Blut schoss Ciri ins Gesicht und in die Schläfen. Sie rollte sich auf den Nerzfellen zusammen. Und begann zu schluchzen. Vor Zorn, Scham und Erniedrigung.
Am Morgen fand sie Avallac’h in einem Peristyl hinter dem Palast, zwischen einem Spalier von Statuen. Die Statuen – eine Besonderheit – stellten Elfenkinder dar. In verschiedenen, größtenteils ausgelassenen Posen. Vor allem die, vor der der Elf verharrte, war merkwürdig – sie stellte einen kleinen Jungen mit vor Wut verzerrtem Gesichtchen dar, der, die Fäuste geballt, auf einem Bein stand.
Ciri konnte lange Zeit nicht den Blick abwenden, und im Unterbauch fühlte sie einen dumpfen Schmerz. Erst als Avallac’h sie drängte, erzählte sie alles. In Andeutungen und stammelnd.
Als sie fertig war, sagte Avallac’h ernst: »Er hat mehr als sechshundertfünfzig Mal den Rauch von Saovine gesehen. Glaub mir, Schwalbe, das ist sogar für das Erlenvolk viel.«
»Und was geht mich das an?«, knurrte sie. »Ich habe eine Vereinbarung! Ihr werdet doch wohl von den Zwergen, euren Kumpanen, gelernt haben, was ein Vertrag ist? Ich erfülle meinen Teil! Gebe mich hin! Was geht es mich an, ob er nicht kannoder nicht will? Was geht es mich an, ob das Altersimpotenz ist oder ob ich nicht anziehend für ihn bin? Vielleicht ekelt er sich vor Dh’oine? Vielleicht sieht er wie Eredin in mir nur ein Goldkörnchen in einem Komposthaufen?«
»Ich hoffe« – Avallac’hs Gesicht, so unglaublich es war, veränderte und verzog sich –, »ich hoffe, du hast ihm nichts dergleichen gesagt.«
»Habe ich nicht. Obwohl ich es gern getan hätte.«
»Hüte dich. Du weißt nicht, was du riskierst.«
»Mir ist alles egal. Ich habe einen Vertrag geschlossen. Also entweder oder! Entweder ihr erfüllt euren Teil, oder wir lösen den Vertrag auf, und ich bin frei.«
»Hüte dich, Zireael«, wiederholte er und zeigte auf die Statue des wütenden Knirpses. »Sei nicht so wie der da. Achte auf jedes Wort. Versuche zu verstehen. Und wenn du etwas nicht verstehst, handle unter keinen Umständen voreilig. Sei geduldig. Denke daran, die Zeit hat keine Bedeutung.«
»Hat sie doch!«
»Ich hatte dich gebeten, sei kein trotziges Kind. Ich wiederhole nochmals, sei geduldig mit Auberon. Denn das ist deine einzige Chance, die Freiheit zu
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