Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
verdammten Turm gewiesen.
    »Mach dir keine Vorwürfe, Alter Rabe. Wäre nicht der Turm gewesen, hätte Bonhart mich erwischt. Hier bin ich wenigstens in Sicherheit.«
    Du bist hier nicht in Sicherheit.
    Vysogota richtet sich auf.
    Hinter seinem Rücken sieht Ciri eine Anhöhe, kahl und rund, sie ragt aus dem Gras wie der Kamm eines im Hinterhalt lauernden Ungeheuers. Auf der Anhöhe liegt ein riesiger Felsblock. Eine Frau und ein Mädchen. Der Wind zaust und verwirrt das schwarze Haar der Frau.
    Am Horizont ringsum flammen Blitze.
    Das Chaos streckt die Hände nach dir aus, Töchterchen. Kind vom Älteren Blute, Mädchen, verstrickt in Bewegung und Veränderung, in Vernichtung und Wiedergeburt. Vorherbestimmt und selbst Vorherbestimmung. Hinter der geschlossenen Tür hervor streckt das Chaos seine Krallen nach dir aus, noch immer ohne zu wissen, ob du zu seinem Werkzeug werden wirst oder aber zu einem Hindernis für seine Pläne. Ohne zu wissen, ob du nicht zufällig das Sandkorn im Uhrwerk des Schicksals sein wirst. Das Chaos fürchtet dich, Kind der Vorherbestimmung. Und es will bewirken, dass du es bist, die Furcht empfindet. Darum schickt es dir Träume.
    Vysogota bückt sich, spült von einer Falle für Bisamratten die Wasserlinsen ab. Er lebt ja nicht mehr, denkt Ciri nüchtern. Heißt das, dass dort im Jenseits die Toten Fallen für Bisamratten säubern müssen?
    Vysogota richtet sich auf. Hinter seinem Rücken leuchtet der Himmel von Feuersbrünsten. Über die Ebene galoppieren Tausende von Reitern. Reiter in roten Umhängen.
    Die Dearg Ruadhri.
    Hör mir aufmerksam zu, Schwalbe. Das Ältere Blut, das in deinen Adern fließt, gibt dir große Macht. Du bist die Herrin über Orte und Zeiten. Du hast eine gewaltige Kraft. Erlaube nicht, dass Verbrecher und Nichtswürdige sie dir wegnehmen und für die eigenen Zwecke missbrauchen. Verteidige dich! Entfliehe aus der Reichweite ihrer nichtswürdigen Hände!
    »Leicht gesagt! Sie haben mich hier mit irgendeiner magischen Barriere festgesetzt, halten mich gefangen   …«
    Du bist die Herrin über Orte und Zeiten. Dich kann man nicht gefangen halten.
    Vysogota richtet sich auf. Hinter seinem Rücken liegt ein Plateau, eine felsige Ebene, darin die Wracks von Schiffen. Dutzende von Wracks. Und weiter ein Schloss, schwarz, bedrohlich, von Zinnen gekrönt, ragt es über einem Bergsee auf.
    Sie werden ohne deine Hilfe umkommen, Schwalbe. Nur du kannst sie retten.
    Yennefers Lippen, zerschnitten und zerschlagen, bewegen sich lautlos, bluten. Die veilchenblauen Augen blitzen, flammen in dem abgehärmten, verzerrten, von Qual geschwärzten Gesicht, das von einem Sturm wirren, schmutzigen schwarzen Haars umrahmt ist. In einer Vertiefung im Fußboden eine stinkende Pfütze, Ratten huschen umher. Die durchdringende Kälte der steinernen Wände. Die Kälte der Fesseln an den Handgelenken, den Fußknöcheln   …
    Yennefers Hände und Finger sind eine Masse verkrusteten Blutes.
    »Mama! Was haben sie mit dir gemacht?«
    Eine Marmortreppe führt hinab. Eine Treppe mit drei Absätzen.
    Va’esse deireadh aep eigean   … Etwas endet   … Was?
    Eine Treppe. Unten ein Feuer, das in eisernen Körben brennt. Flammende Wandteppiche.
    Gehen wir, sagt Geralt. Die Treppe hinab. Wir müssen. Es muss sein. Es gibt keinen anderen Weg. Nur diese Treppe. Ich will den Himmel sehen.
    Seine Lippen bewegen sich nicht. Sie sind blau, und es ist Blut an ihnen. Blut, überall Blut   … Die ganze Treppe voll Blut.
    Einen anderen Weg gibt es nicht. Es gibt keinen, Sternäugige.
    »Wie?«, schrie sie. »Wie kann ich ihnen helfen? Ich bin in einer anderen Welt! Gefangen! Und kraftlos!«
    Dich kann man nicht gefangen halten.
    Alles ist schon einmal beschrieben worden, sagt Vysogota. Sogar das. Schau nach unten.
    Ciri sieht entsetzt, dass sie in einem Meer von Knochen steht. Inmitten von Schädeln, Schienbeinen und Rippen.
    Nur du kannst das verhindern, Sternäugige.
    Vysogota richtet sich auf. Hinter seinem Rücken sind Winter, Eis, Schneegestöber. Der Sturmwind heult und pfeift.
    Vor ihr im Schneetreiben, auf einem Pferd, Geralt. Ciri erkennt ihn, obwohl er auf dem Kopf eine Pelzmütze trägt und das Gesicht mit einem Wollschal umwickelt hat. Hinter seinem Rücken sind im Schneegestöber andere Reiter zu erahnen, ihre Silhouetten sind undeutlich, so dick eingehüllt, dass man nicht erkennen kann, wer das ist.
    Geralt schaut gerade zu ihr hin. Doch er sieht sie nicht. Der Schnee wird ihm in die

Weitere Kostenlose Bücher