Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
erlangen.«
»Wirklich?« Sie schrie es fast. »Ich beginne, daran zu zweifeln! Ich beginne zu argwöhnen, dass du mich betrogen hast! Dass ihr alle mich betrogen habt …«
Das Gesicht Avallac’hs war ebenso hart wie der Stein der Statuen. »Ich habe dir versprochen, dass du in deine Welt zurückkehren wirst. Ich habe mein Wort gegeben. Das Wort in Zweifel zu ziehen, ist für die Aen Elle eine schwere Beleidigung. Um dich davor zu bewahren, schlage ich vor, dieses Gespräch zu beenden.«
Er wollte gehen, doch sie vertrat ihm den Weg. Seine aquamarinblauen Augen verengten sich, und Ciri begriff, dass sie es mit einem sehr, aber wirklich sehr gefährlichen Elf zu tun hatte. Doch es war zu spät zurückzuweichen.
»Das ist sehr nach Elfenart«, zischte sie wie eine Schlange, »selbst beleidigen und dann vor der Revanche davonlaufen.«
»Hüte dich, Schwalbe.«
Sie warf stolz den Kopf zurück. »Höre. Euer Erlkönig ist der Aufgabe nicht gewachsen, das ist klarer als klar. Es ist unwichtig, ob er das Problem bildet oder ob ich es bin. Das ist gleichgültig und ohne Bedeutung. Ich aber will den Vertrag erfüllen. Und es hinter mich bringen. Soll mir doch dieses Kind, an dem euch so viel gelegen ist, jemand anders machen.«
»Du weißt überhaupt nicht, wovon du redest.«
»Wenn aber ich das Problem bin« – sie änderte weder Ton noch Miene –, »dann heißt das, du hast dich geirrt, Avallac’h. Du hast die Falsche in diese Welt gelockt.«
»Du weißt nicht, wovon du redest, Zireael.«
»Wenn aber«, schrie sie, »sich alle derart vor mir ekeln, dann wendet die Methode an, mit der Maulesel gezüchtet werden! Was, du weißt das nicht? Man zeigt dem Hengst eine Stute, und dann verbindet man ihm die Augen und lässt ihn eine Eselin besteigen!«
Er würdigte sie keiner Antwort. Er ging ohne Federlesens an ihr vorbei und fort, das Spalier der Statuen entlang.
»Oder vielleicht du?«, schrie sie. »Wenn du willst, gebe ich mich dir hin. Was? Bringst du das nicht fertig? Ich soll doch Laras Augen haben!«
Mit zwei Sätzen war er bei ihr, seine Hände schossen wie Schlangen an ihren Hals und schlossen sich wie stählerne Zangen. Sie erkannte, dass er, wenn er wollte, sie wie ein Küken erdrosseln konnte.
Er ließ sie los. Beugte sich nahe herab und schaute ihr in die Augen.
»Wer bist du«, fragte er ungewöhnlich ruhig, »dass du es wagst, derart ihren Namen zu entehren? Wer bist du, dass du es wagst, mich mit solch einem schäbigen Angebot zu beschimpfen? Oh, ich weiß, ich sehe, wer du bist. Du bist nicht LarasTochter. Du bist die Tochter Cregennans, du bist eine gedankenlose, arrogante, selbstsüchtige Dh’oine, eine geradezu beispielhafte Vertreterin der Rasse, die nichts versteht und alles ruinieren und vernichten muss, es mit der bloßen Berührung verderben, mit dem bloßen Gedanken abscheulich machen und in den Schmutz ziehen. Dein Vorfahr hat mir meine Liebe gestohlen, hat sie mir weggenommen, hat mir selbstsüchtig und arrogant Lara weggenommen. Aber dir, seiner würdigen Tochter, werde ich nicht erlauben, mir die Erinnerung an sie zu nehmen.«
Er wandte sich ab.
Ciri bezwang den Widerstand der gepressten Kehle. »Avallac’h.«
Ein Blick.
»Verzeih mir. Ich habe mich dumm und gemein verhalten. Vergib mir. Und wenn du kannst, vergiss.«
Er trat zu ihr, umarmte sie.
»Ich habe es schon vergessen«, sagte er warm. »Wir wollen nicht mehr darauf zurückkommen.«
Als sie am Abend in die königlichen Gemächer kam, gebadet, parfümiert und frisiert, saß Auberon Muircetach am Tisch, über ein Schachbrett gebeugt. Wortlos lud er sie ein, sich ihm gegenüberzusetzen.
Er gewann in neun Zügen.
Das nächste Mal spielte sie mit Weiß, und er gewann in elf Zügen.
Erst dann hob er den Blick aus seinen hellen, unheimlichen Augen.
»Zieh dich aus, bitte.«
Eines musste man ihm lassen – er war feinfühlig und hatte es überhaupt nicht eilig.
Als er – wie zuvor – aus dem Bett aufstand und ohne ein Wort ging, nahm Ciri das mit stiller Resignation hin. Doch fast bis zum Morgengrauen konnte sie nicht einschlafen.
Und als der Morgen die Fenster erhellte und sie endlich eingeschlafen war, hatte sie einen sehr seltsamen Traum.
Vysogota, gebückt, wie er von einer Falle für Bisamratten die Wasserlinsen abspült. Das Schilf rauscht im Wind.
Ich fühle mich schuldig, Schwalbe. Ich war es, der dir den Gedanken an diese wahnsinnige Eskapade eingegeben hat. Ich habe dir den Weg zu diesem
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