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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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stolperte hastig auf den Gang hinaus.
    »Ist sie krank?«, fragte Trinket. »Können Sie ihr helfen?«
    »Was, zum Teufel, interessiert Sie das schon?«, fuhr der große Polizist ihn an.
    Kaye hörte, wie die Frau draußen nach der Erste-Hilfe-Ausrüstung rief. »Es ist zu spät«, murmelte sie.
    »Sind Sie Ärztin?«, fragte der große Polizist, während er sich tief über Kaye und das Mädchen auf dem Fußboden beugte.
    »So was Ähnliches.«
    »Schaffen Sie Ihre Tochter hier raus.«
    »Vielleicht kann ich helfen.« Kaye sah zu seinen Hängebacken und den tiefblauen Augen empor.
    Mitch ließ Trinket los und zog Stella nah an sich heran.
    »Hauen Sie einfach ab«, wiederholte der Polizist. »Wir kümmern uns schon um alles. Fahren Sie weit weg. Bleiben Sie zusammen.«
    »Können Will, Kevin und Mabel auch mitkommen?«, fragte Stella. Will musterte alle aus zusammengekniffenen, trotzigen Augen. Kevin und Mabel konzentrierten sich aufs Fernsehen, ihre Wangen leuchteten golden und rosa vor Angst und Scham.
    »Es tut mir Leid«, sagte Kaye.
    »Mutter…«
    »Wir müssen mit leichtem Gepäck und schnell abreisen«, erklärte Kaye. Und sie könnten alle krank sein.

    Stella riss sich von Mitch los, rannte zu Will und fasste ihn um die Schultern. Sie starrten einander mehrere Sekunden lang an.
    Kaye und Mitch beobachteten sie, wobei Mitch nervös zuckte, während Kaye nur fasziniert und seltsam ruhig war.
    Schon seit zwei Jahren hatte sie ihre Tochter nicht mehr mit einem anderen Homo sapiens novus gesehen. Sie schämte sich, dass es schon so lange her war, obwohl sie nicht sagen konnte, für wen sie sich eigentlich schämte. Vielleicht für die ganze elende Menschheit.
    Nachdem sich die beiden voneinander getrennt hatten, nahm sie Stella bei der Hand und gab ihr das heimliche Zeichen, das sie ihrer Tochter schon vor Jahren beigebracht hatte: Sie kratzte mit ihrem Zeigefinger über Stellas Handfläche, was bedeutete, dass sie sofort aufbrechen mussten – ohne weitere Fragen, ohne Verzug. Stella zuckte zusammen, folgte ihr aber.
    »Denk an die Wälder«, trällerte Will. »Überall Wälder.
    Wälder für die ganze Welt.«
    Während sie auf der Asphaltstraße zum Wagen liefen, hörten sie, wie sich der Polizist mit Trinket und den Eintreibern stritt.
    »Wir halten hier nicht viel von Kindesraub, jedenfalls nicht in diesem Bezirk!«
    Damit verschaffte er Stella und ihren Eltern einen zeitlichen Vorsprung.
    Genau wie das tote Mädchen.
    Als Mitch in einem Bogen um den Transporter herumfuhr, kratzte die Hecke über die Beifahrertür an Kayes Seite. »Wir sollten sie mitnehmen, allesamt!«, schrie sie und umarmte Stella fest. »Mein Gott, Mitch, wir sollten sie alle retten.«
    Aber Mitch hielt nicht an.

    24
    Washington, D.C. Ohio

    In Dulles wurde Augustines Limousine durchgewinkt und direkt zum Düsenflugzeug der Regierung gebracht, das auf der Rollbahn wartete, während die Motoren warm liefen. Als Augustine einstieg, reichte ihm ein Offizier der Air-Force-Crew einen verschlossenen Aktenkoffer. Augustine bat den Steward um ein Ginger Ale, nahm seinen Sitz in der Mitte des Flugzeugs über dem Flügel ein und legte den Sicherheitsgurt an.
    Er holte ein E-Blatt mit der Aufschrift DRINGLICH aus dem Aktenkoffer und bog die rote Ecke um, um es zu aktivieren.
    Gleich darauf erschien in der unteren Hälfte ein markiertes Feld mit Kästchen. Er gab den Tagescode ein und las die Instruktionen des Büros für Sonderaufklärung beim Krisenstab durch. Die Verbote hatten im letzten Monat um zehn Prozent zugenommen, was größtenteils auf Rachel Brownings Bemühungen zurückzuführen war.
    Augustine konnte es nicht mehr ertragen, fernzusehen oder Radio zu hören. So viele laute Stimmen, die zu ihrem eigenen Vorteil das Blaue vom Himmel herunterlogen. Amerika und ein großer Teil der übrigen Welt waren in ein eigenartig pathologisches Stadium eingetreten: Nach außen hin wirkte alles normal, nach innen dagegen herrschte zunehmend extreme Angst und Wut. Es war eine besondere Art von Wahnsinn, wie ein Pulverfass, dem nur noch die Lunte fehlte.
    Augustine war klar, dass er sich selbst für einen beträchtlichen Teil dieses Wahnsinns verantwortlich machen durfte. Früher einmal hatte er selbst die Funken der Angst geschürt, weil er gehofft hatte, zum Leiter des staatlichen Gesundheitswesens aufzusteigen und dafür mehr Gelder beim Kongress locker zu machen, der mit finanziellen Zuwendungen geizte. Stattdessen hatte der handverlesene Ausschuss

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