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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Allmählich dämmerte ihm, dass der große Polizist die Art und Weise, wie er sein Geld verdiente, keineswegs schätzte.
    Als Mitch sich ruckartig zu Trinket wandte, um auf ihn loszugehen, hielt Kaye ihn fest und drückte seinen Arm so sehr, dass er zusammenzuckte. Er leistete ihr keinen Widerstand und starrte lediglich auf die graue Balkenfront des Anbaus, das geteerte Dach und die Stahltür mit dem winzigen Fenster und der Betonrampe.
    »In unserer Einrichtung herrscht Sauberkeit und Ordnung«, fuhr Trinket fort, der vor Mitch und Kaye neben dem großen Polizisten herlief. Der jüngere Polizist und die Eintreiber bildeten die Nachhut. »Hier haben schon viele Ausreißer Zwischenstation gemacht.« Je näher sie der Tür kamen, desto lauter wurde Trinkets Stimme. Offenbar war ihm klar geworden, dass er bald sowieso nichts mehr zu verbergen haben würde. »Wir betreiben unsere Übergangseinrichtung mit Verantwortungsbewusstsein. Wir sorgen sehr gut für die Kinder.«
    »Halten Sie die Klappe«, fuhr Kaye ihn an.
    »Halten Sie sich bitte im Zaum«, bat der große Polizist, aber seine Stimme schwankte dabei.

    Stella hörte, wie sich jemand an der großen Stahltür zu schaffen machte, verließ Elvira und eilte zur Innentür ihres Gefängnisses. Dort blieb sie stehen, während in dem kleinen Vorraum mit den Stapeln von Kartons die Lampen eingeschaltet wurden. Sie sah einen großen Mann in Lederjacke und grauer Uniform, gefolgt von Trinket.
    Stella konnte Kaye und Mitch sofort am Geruch erkennen.
    »Mami«, sagte sie, als sei sie wieder ein Kleinkind von drei Jahren.
    »Öffnen Sie diese Tür«, wies der große Polizist Trinket an.
    Über seine Wangen rannen Tränen. Stella hatte noch nicht viele Polizisten in ihrem Leben gesehen, und ganz bestimmt keinen, der weinte.
    Trinket murmelte irgendetwas und zog den Messingschlüssel am Bindfaden hervor.
    »Mami, sie ist tot!«, schrie Stella. »Sie ist gerade eben gestorben. Wir konnten ihr nicht helfen!« Ihre Stimme teilte sich so, dass sie zwei hohe, singende, auf seltsame Weise schöne Wortströme von sich gab, so als stünden zwei junge Mädchen an der Maschendrahttür, ein Körper innerhalb des anderen. Kaye konnte es nicht begreifen, aber ihr Herz explodierte fast vor Freude und Kummer zugleich.
    »Machen Sie sofort auf!«, brüllte Kaye, drängte sich durch und fuhr mit ihren Fingernägeln über Fred Trinkets Backe. Er wich zurück, ließ den Schlüssel fallen und protestierte lautstark.
    Kaye versuchte, durch den Maschendraht nach Stella zu greifen, aber der Abstand zwischen beiden Türen ließ es nicht zu.
    »Allmächtiger«, sagte der jüngere Polizist. Mitch hob Trinkets Schlüssel auf und warf ihn Kaye zu, danach griff er sich Trinket und hielt ihn fest. Der große Polizist blieb im Hintergrund, als Kaye Außen- und Innentür aufsperrte und Stella packte.
    »Hol die anderen«, sagte Stella.
    »Wie viele sind es?«, wollte der große Polizist von Trinket wissen.
    »Fünf.«
    »Wir sind verpflichtet, alle Virus-Kinder einzusammeln und abzutransportieren, Sir«, erklärte die Frau im Schutzanzug und drängte sich mit der Schulter in den Vorraum. Ihr dünner Kollege blieb draußen und starrte auf den Boden, die Stufen und alles andere – nur nicht auf das, was im Anbau vor sich ging.
    Als sich Kaye, Mitch und der große Polizist auf den Weg in den hinteren Teil des Gebäudes machten, hielt sich Stella eng an ihre Mutter. Mitch drückte die Schultern seiner Tochter und sie schlang die Arme um ihn. »Es tut mir Leid«, flüsterte sie.
    Mabel und Kevin saßen auf der Couch, Will stand bei Elvira.
    Der Fernseher, der eine alte Folge von I love Lucy zeigte, plärrte laut vor sich hin. Kayes Gesicht verzog sich vor Mitleid, als sie sich neben das auf dem Boden liegende Mädchen kniete, um es zu untersuchen. Sie entdeckte den blutigen Schorf unter der Nase, drehte sanft den Kopf herum, fand weiteren Schorf hinter den Ohren, tastete die Schwellungen unter dem Kinn und in den Achselhöhlen ab.
    »Wie lange ist es her?«, fragte Kaye Stella.

    »Fünf oder sechs Minuten. Sie hat einfach nur schrecklich gehustet und ist dann still liegen geblieben.«
    Über die Schulter sah Kaye Mitch und den großen Polizisten an. Trinket zuckte zusammen, hielt aber wohlweislich den Mund.
    »Lassen Sie mich sehen«, sagte die Frau im Schutzanzug und kauerte sich kurz neben das Mädchen. Gleich darauf stemmte sie sich so schnell hoch, dass ein Luftzug entstand, sah die anderen scharf an und

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