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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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und ihrer Art mit irgendwelchem Differenzierungsvermögen oder gar Verständnis zu begegnen, war fast unmöglich.

    Sie hasste diesen amorphen Mob, der sich in ihrer Fantasie zu einer endlosen Armee von Robotern ohne Denkvermögen aufbaute, ganz erpicht darauf, alles falsch zu verstehen, andere zu verletzen und zu töten.
    Nachdem Kaye nochmals nach Stella gesehen und festgestellt hatte, dass ihr Zustand sich stabilisiert, vielleicht sogar gebessert hatte, machte sie sich auf die Suche nach ihrem Mann und ging von Zimmer zu Zimmer. Mitch saß in einem klobigen Holzsessel auf der Veranda, dem See zugewandt, und hatte den Blick auf einen Punkt zwischen zwei großen Kiefern gerichtet. Im Zwielicht der Dämmerung sah er blass und ausgezehrt aus.
    »Wie geht’s dir?«, fragte Kaye.
    »Mir geht’s gut. Und Stella?«
    »Sie ruht sich aus. Hat immer noch Fieber, aber nicht alarmierend hoch.«
    »Gut.« Mitch umklammerte die Ränder der kantigen hölzernen Armlehnen. Kaye betrachtete diese Hände mit plötzlicher Nostalgie, die sie weich stimmte. Große, eckige Knöchel, lange Finger. Früher einmal hätte schon ein Blick auf Mitchs Hände sie sexuell erregt.
    »Ich glaube, du hast Recht«, sagte sie.
    »Womit?«
    »Stella wird wieder gesund. Es sei denn, es kommt zu einer weiteren Krise.«
    Mitch nickte. Kaye musterte ihn und erwartete, auf seinem Gesicht Erleichterung zu sehen, aber er nickte nur weiter vor sich hin.
    »Wir könnten uns mit dem Schlafen abwechseln«, schlug sie vor.
    »Ich werde nicht schlafen«, erklärte Mitch. »Falls ich schlafe, wird irgendjemand sterben. Ich muss wach bleiben und auf alles aufpassen. Sonst gibst du mir die Schuld an dem, was passiert.«
    Das verblüffte Kaye, sofern sie überhaupt noch so viel Energie hatte, sich verblüffen zu lassen. »Wie bitte? Was?«
    »Du warst böse auf mich, weil ich in Washington war, als Stella weglief.«
    »War ich nicht.«
    »Du warst regelrecht aufgebracht.«
    »Ich war niedergeschlagen.«
    »Ich kann dich nicht im Stich lassen. Und Stella auch nicht.
    Aber ich werde euch beide verlieren.«
    »Bitte nimm Vernunft an, Mitch. Das ist doch absurd.«
    »Erzähl mir bloß nicht, dass du nicht wütend gewesen bist.
    Wütend, weil ich nicht da war, als der Rummel losging.«
    Warum ruhte alle Last stets auf ihr? Wie oft hatte Stella, wenn Mitch unterwegs war, die Gelegenheit dazu genutzt, irgendetwas auszuhecken, Kaye herauszufordern und die eigenen Grenzen auszutesten. »Ich war völlig fertig«, sagte Kaye.
    »Ich hab dich niemals zum Sündenbock gemacht. Ich hab mich bemüht, alles zu erfüllen, was du von mir erwartet hast, und der Mann zu sein, der ich sein musste.«
    »Das weiß ich.«
    »Dann nimm diesen ungeheuren Druck von mir.« Bei anderer Gelegenheit hätte Kaye diese Worte wohl als einen Schlag ins Gesicht empfunden, aber Mitch klang so erschöpft und verzweifelt, dass sie eher das Gefühl hatte, es streife sie ein vom Wind leicht bewegter Vorhang. »Deine Instinkte sind nicht stärker als meine. Die Tatsache, dass du eine Frau und Mutter bist, gibt dir noch lange nicht das Recht…«, er schwenkte hilflos die Hand, »auf mich loszugehen.«
    »Ich bin nicht auf dich losgegangen«, erwiderte Kaye. Aber sie wusste, dass es stimmte, und dachte trotzig, dass sie sehr wohl das Recht dazu gehabt hatte. Dennoch machten Mitchs Worte und sein ganzes Verhalten ihr Angst. Er war nie jemand gewesen, der sich beklagte oder sie kritisierte. Wenn sie sich recht erinnerte, hatten sie in den zwölf Jahren ihres Zusammenlebens nicht ein einziges Mal ein solches Gespräch geführt.
    »Ich kann Dinge genauso stark spüren wie du«, erklärte Mitch.
    Kaye setzte sich auf die Armlehne und stupste seinen Ellbogen weg. Er legte den Arm über die Brust. »Ich weiß«, sagte sie. »Es tut mir Leid.«
    »Mir tut es auch Leid. Ich weiß, es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für solche Gespräche.« Sein Atem stockte. Er versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken. »Aber im Augenblick würde ich mich am liebsten irgendwo zusammenrollen und sterben.«
    Kaye beugte sich hinüber, um ihn auf den Kopf zu küssen.
    Sein Gesicht blieb kalt und hart, als sie es streichelte, so als sei er bereits an einem anderen Ort und für sie gestorben. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.
    Mitch räusperte sich. »Da ist diese Stimme in meinem Kopf, die wieder und wieder sagt: Du eignest dich nicht zum Vater.
    Wenn das stimmt, ist der Tod die einzige Alternative.«
    »Scht, scht«, machte

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