Die Datenfresser
später kann Paul nicht mehr schlafen. Die Webseite wird und wird nicht fertig. Die Versuche mit Test-Nutzern verlaufen wenig erfolgversprechend. Der Angel-Investor wird nervös, macht Druck, mit der Suche nach einem neuen Investor zu beginnen, obwohl noch nichts von MyBelovedPet im Internet zu sehen ist. Peter brütet nächtelang über seinen Finanztabellen, um irgendwie Wege zu finden, das Geld noch etwas länger zu strecken. Mary bekommt die ersten grauen Haare. Alexander arbeitet nur noch nachts, um die Fehler der Lohnprogrammierer vom vorherigen Tag zu finden, damit sie am nächsten Morgen eine Auftragsliste für den nächsten Tag vorfinden und so Zeit gespart wird.
Knapp neun Monate nach dem Start des Unternehmens geht MyBelovedPet endlich mit einem kleinen Funktionsumfang online. Die Reaktionen in der Haustierpresse und den Webforen sind verhalten, aber positiv. Langsam kommen die Benutzer. Das System stürzt zwar immer mal wieder ab, wird aber offenbar von den Tierfreunden angenommen.
Paul spricht seit einigen Wochen mit mehreren Investoren, ein konkretes Investment-Angebot liegt vor, das allerdings von den Gründern als zu hart für sie empfunden wird. Die Zeit, »bis das Licht ausgeht«, die Peter jeden Montag seinen Mitstreitern per E-Mail mitteilt, sind etwa einhundert Tage. Wenn bis dahin kein neues Geld hereinkommt, war’s das.
Dummerweise wissen das auch die potentiellen neuen Investoren, die das Angebot unterbreitet haben. Die haben sich im Zuge der sogenannten Due dilligence, der Überprüfung der Unternehmensdaten vor einem Investment, alle Unterlagen von MyBelovedPet.com angesehen und können sich genau ausrechnen, wie lange die Gründer und der Angel-Investor noch verhandeln können. Insbesondere sind sie interessiert daran, wie MyBelovedPet.com gedenkt, seine Nutzerzahlen zu steigern und diese Nutzer besser zu monetarisieren, also zu Geld zu machen.
Daten zu Finanzreserven
Mary recherchiert, ob die Daten der Mitglieder auch direkt zum Verkauf angeboten werden können. Immerhin beinhaltet die Datenbank inzwischen siebentausend aktuelle E-Mailadressen. Nach ein paar Telefonaten muß Mary leider feststellen, daß diese Adressen für nur etwa 25 Cent verkauft werden – und zwar pro Megabyte E-Mailadressen.
Peter besucht zeitgleich ein Seminar, angeboten von einem der renommiertesten Risikokapitalgeber des Landes. »Monetarisierung im Web 2.0« lautet der Titel, es geht also um die Kernfrage, die auch die potentiellen Investoren bewegt. Präsentiert werden verschiedene Modelle – Werbung, möglichst gezielt, ist das gängigste. Werbung im Internet wird meist nach einem zweistufigen Prinzip bezahlt. Zum einen gibt es ein paar hundertstel oder tausendstel Cent für jedes Auftauchen eines Werbebanners oder gesponsorten Suchergebnisses auf der Webseite. Je mehr Besucher die Webseite hat und vor allem je mehr diese zur gewünschten Zielgruppe der Werbekunden gehören, desto mehr Geld gibt es für die Werbeschaltung.
MyBelovedPet wird also stets versuchen, Hundebesitzern keine Katzenstreuwerbung anzuzeigen, sondern passende für Hundeprodukte. Wenn auch noch die Hunderasse und das Alter des Vierbeiners bekannt sind – und MyBelovedPet tut alles, um die Nutzer zur Eingabe dieser Informationen zu bewegen –, kann die Werbeauswahl weiter eingegrenzt werden. Alles, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß das Werbebanner oder das bezahlte Suchergebnis angeklickt wird, steigert die Einnahmen potentiell.
Lukrativ wird es aber erst wirklich, wenn ein Nutzer tatsächlich auf die Werbung klickt. Dann werden bis zu einigen zehn Cent pro Klick fällig. Je besser MyBelovedPet dem Werbekunden dann auch noch Informationen über den Besucher zur Verfügung stellen kann, desto besser die Entlohnung. Mit dem Klick auf das Werbebanner übermittelt MyBelovedPet eine Art Kundennummer an den Werbepartner, mit der dieser dann über eine Schnittstelle, die er bei MyBelovedPet gemietet hat, mehr erfahren kann: was für ein Haustier der Kunde hat, auf welche Werbung er bereits in der Vergangenheit geklickt hat, welche Themen ihn interessieren und was seine Freunde bei MyBelovedPet so treiben. Interessant ist auch, ob er vielleicht jemand ist, der von sich aus mitteilsam ist, ob er also Produkte, die er kauft und denen sein Haustier zuneigt, kommentiert. Je mehr man also über einen Nutzer weiß, desto besser.
Am Ende des Seminars gibt es noch einen Vortrag mit dem Titel »Metriken zur Unternehmensbewertung«, bei
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