Die Delegation
Ich wartete auf ein Taxi.
Der Himmel färbte sich langsam orange, dann gelb wie das auslaufende Ende einer Filmrolle. Ich ertappte mich dabei, daß ich nach UFOs ausschaute, nach den drei silberglänzenden Scheiben, nach dieser ›Delegation‹ von einem fernen Planeten. Hat Roczinski versucht, uns alle zum Narren zu halten? War er verrückt geworden? War er einem Phantom nachgejagt, kreuz und quer durch Nordamerika bis hinunter nach Peru? Waren die Augenzeugen vor seiner Kamera bestochen, die erschreckenden Ereignisse inszeniert?
Ist nicht alles, was man vor die Linse einer Kamera bringt, in irgendeiner Weise manipulierbar?
Das Taxi bog um die Ecke. Die Scheinwerfer brannten noch und spiegelten sich in einer Fassade aus schwarzem Glas. Waren sie gelandet, waren sie hier? Wo sind sie jetzt? Auf dem Rückweg? Lichtjahreweit?
Eine kalte Wintersonne lag über der Stadt und ihrem Hafen. Wir stiegen höher, tauchten in Dunst, stießen hindurch in einen stahlblauen Himmel.
Ich hatte die große Tasche von Roczinski mit in die Maschine genommen, trotz des Widerspruchs der Stewardeß. Jetzt stand sie eingeklemmt an meinen Füßen und nahm mir jede Möglichkeit, mich zu bewegen. Bombe an Bord? Einen Spalt breit konnte ich sie öffnen. Ich zwängte meine Hand hinein, fühlte die Plastiktüten mit den Rollen und Tonbändern, das Kuvert mit den Fotos, angelte mir das Tagebuch:
Ein dickes Schreibheft in abgegriffenem Plastikeinband, vorn ein eingeklebter Kalender mit Terminen, dann die Eintragungen: Daten, Abrechnungen, Auslagen, Adressen und Telefonnummern, gestoppte Zeiten einzelner Interviews, Beschreibung von Szenen, Notizen, Stichworte, Informationen, Pläne, Tagesberichte mit Filmverbrauch, Abfahrtszeit und Rückkehr, Namen der Mitarbeiter, Filmnummer und Nummer der Rollen, Tonberichte.
Das alles stand links: knappe, sachliche Vermerke. Rechts dagegen wurde Roczinski privat. Überlegungen, Kommentare, Empfindungen. Da sprach er sich aus, schrieb sich von der Seele, was ihn beschäftigte.
Je knapper der linke Teil, je weniger Roczinski tat, also drehte, desto üppiger wucherten seine Beschreibungen des ›Warum‹ und ›Weshalb‹. Dann hatte er wohl Zeit gehabt, über Sinn und Zweck seiner Unternehmung nachzudenken. Ich blätterte. Zugegeben: eine Indiskretion. Denn was da in fahriger Schrift konzipiert war, diese Gedanken, diese Fragen, diese Zweifel, das war nicht für Außenstehende bestimmt. Das war aufgeschrieben worden von einem, der mit sich selbst ins reine kommen wollte.
8. Oktober
Ist das, was ich annehme, absurd und verrückt? Ist nicht vielleicht jene Idee absurd und verrückt, daß wir, die Bewohner dieses Planeten Erde, wir halb zivilisierten Barbaren, die einzigen ›intelligenten‹ und bewußt lebenden Wesen in diesem unermeßlichen Universum sein sollen?
20
»Dieser Gedanke ist nicht sehr neu. Giordano Bruno wurde dafür verbrannt.«
Wir saßen in der Bavaria, in Gottschalks Büro.
Walther Riedel war gekommen, gewissermaßen als Berater. Er war als Diplomingenieur bis Kriegsende Direktor für Entwicklung und Konstruktion in Peenemünde gewesen; außerdem Stellvertreter Wernher von Brauns, dort und später in den USA.
Als Senior Project Engineer der North-American-Aviation auf dem Gebiet der ›Strahltriebwerke‹ gilt er als einer der Väter einer ganzen Reihe von Großraketen mit flüssigen Treibstoffen, die ihren vorläufigen Höhepunkt mit der SATURN V erreicht hat. Nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er technischer Vorstand einer Fünftausend-Mann-Firma und las an der Technischen Hochschule Braunschweig einige Jahre lang Raketentechnik aufgrund eines Lehrauftrages des Kultusministers von Niedersachsen. Und – er hatte einen Film gedreht über das UFO-Phänomen!
»Stimmt, aber das ist einige Jahre her und war auch nur so eine Art Diskussionsbeitrag.
Heute wittert jeder, wenn er was von UFOs hört, kleine grüne Männer, und die sind dann meistens unserer Zivilisation feindlich gesinnt. Das war nicht immer so! In dem großen indischen Sagenbuch ›Mahabharata‹ – Mächtiges Indien –, dem heiligen Buch der Hindus, um 1000 vor der Zeitrechnung erstmals niedergeschrieben, und in den ›Upanishaden‹, die zwischen 900 und 400 v. d. Z. Gestalt annahmen, werden rätselhafte Himmelserscheinungen beschrieben, wie sie auch der Prophet Hesekiel aus dem achten Regierungsjahr Nebukadnezars im Alten Testament dramatisch schildert.
An anderer Stelle dieser indischen Riesenwerke
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