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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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an – die Kamera schwenkt von Horizont zu Horizont über Dächer, abgestorbene Bäume, über die qualmenden Schlote der Mine.
    »Have you seen ›Flying Saucers‹?«
    »Yes, I have! Three of them. They came from the southeast, appeared above the church, flew across the sky, and disappeared in the west …«
    »Die ersten UFO-Augenzeugen, die ich vor die Kamera bekomme. Sie alle sind sich einig über Uhrzeit, Flughöhe und Richtung. Schließlich haben sie wieder und wieder in der Zeitung gelesen, was sie Ungeheures gesehen haben.« Roczinski steht vor dem Gebäude der Lokal-Zeitung. Ein Schriftzug über der Fassade: SUDBURY STAR. Er blättert die Zeitung auf, die er der Kamera schon beim UFO-Kongreß präsentiert hatte: das Porträt eines Farmers. Und über dem Farmhaus ›Fliegende Untertassen‹.
    »Die Adresse des geistesgegenwärtigen Meisterfotografen, habe ich von der Redaktion des SUDBURY STAR bekommen. Robert Tywell, neununddreißig Jahre alt, besitzt eine Farm etwa dreißig Meilen außerhalb der Stadt.« Das Farmhaus mit Nebengebäuden. Rot gestrichenes Holz mit weißen Kanten. Ein Hofplatz, vollgestellt mit alten, verrosteten Maschinen. Gleich hinter der Scheune beginnt bereits der niedere nordische Mischwald: Birken, Kiefern, Moor und Felsen.
    Mr. Tywell trägt Jeans und ein blaukariertes Flanellhemd. Im Hintergrund steht seine Frau mit den Kindern: zwei größere, zwei kleine.
    Tywell wartet offiziell auf ein Zeichen, dann beginnt er mit seinen Erklärungen. Erst verhaspelt er sich, sucht gehemmt und zögernd nach Worten. Aber nach und nach kommt er in Fahrt:
    »Well, I’ve been an enthusiastic photographer, ever since I can remember …«
    »Ich fotografiere, seit ich denken kann. Das war schon das Hobby meines Vaters. Der hat mir das beigebracht, noch bevor ich in die Schule kam – oder wenigstens gleich danach.
    Wir haben hier einen eigenen Club im Ort, und da bin ich natürlich Mitglied. Wir veranstalten jedes Jahr eine Ausstellung, und es sind immer wirklich gute Bilder darunter.
    Und an diesem Tag, das war der 9. September – also ich bin hier vor dem Haus und fotografiere das hohe Gras – die einzelnen Halme und Distelblüten gegen den grauen Himmel. Und da seh’ ich diese Dinger da übern Horizont ankommen.
    Donnerwetter, denk ich, das sind doch solche UFOs, wo sie immer sagen, es wären Kugelblitze oder Meteore. Aber ich konnte das ja nun sehen: Flugmaschinen. Richtige Flugmaschinen. Flach und kreisrund.
    Und ich reiße die Kamera hoch – und zack – und zack – und zack …«
    Tywell ist wieder ganz im Banne der Ereignisse vom 9. September. Sein Sohn hat ihm die Kamera gebracht, Tywell nimmt sie, beschreibt die Flugbahn, springt in die verschiedenen Positionen, demonstriert Blickwinkel und Richtung, dreht sich um seine Achse, rennt quer über den Hof, hinüber zur Scheune, zielt hoch zum Dach, über die Bäume hinweg, redet und redet und gerät außer Atem.
    »Und ich dann gleich rein in den Wagen und zu Louis Salan. Das ist der Präsident von unserem Club. Der hat so’n Drugstore mit Fotolabor. Ich hob’ zwar auch alles im Keller, bin aber nicht darauf vorbereitet, nicht auf so schnell … Geh’ ich also zu Salan.«
    Tywell hat die Bilder auf Holzbohlen ausgebreitet, die hinter der Scheune gestapelt sind. Die Fotos sind schwarz-weiß, etwa im Format vierundzwanzig mal dreißig. Sie haben einen breiten weißen Rand. Es sind rohe Vergrößerungen, matt, mit Wasserflecken und diversen Schönheitsfehlern: Zuerst die Wiese hinter dem Haus, Gräser und Distelblüten gegen einen zerfetzten Wolkenhimmel. Dann tauchen drei helle Punkte auf, werden von Bild zu Bild größer, ovale weiße Scheiben in Formation. Man erkennt deutlich das Haus, die Scheune.
    Unschärfe: Die Kamera wurde verrissen. Unscharf sind auch die weißen Gebilde. – Dann wieder deutlich und gestochen: das Hausdach – darüber riesenhaft die hellen Ellipsen der UFOs.
    Der Wald hinter der Scheune. Die weißen Flecken werden kleiner, verschwinden hinter den Bäumen.
    Ein Windstoß wirbelt einige Fotos hoch und weht sie über den Hof. Die Kinder fangen sie wieder ein, bringen sie zurück. »Na, und wir begucken uns die Sache, so beim Vergrößern, Salon und ich. Und Louis macht solche Augen, sagt ›Donnerwetter, Tywell, da hast du was erwischt. Das sind tatsächlich solche UFOs!‹ Und ›Junge‹, meint er, ›das bringt Geld, du wir st sehen!‹«

 
22
 
    »Es brachte fünfzig kanadische Dollar Reproduktionshonorar vom

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