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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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hatte man ihn verjagt.
    Für ein Trinkgeld wurde der Hausmeister gesprächig. Ein freundlicher, alter ›Uncle Tom‹. Ja, die Mailers wohnten noch hier, da oben im zweiten Stock, da hatten sie ein Zimmer. Aber die unheimliche Geschichte der Entführung interessiert hier keinen mehr. Der Hausmeister sah auf die Uhr. »In einer Stunde kommt Mailer von der Arbeit. Aber bevor Sie hinaufgehen zu ihm, bitten Sie zuerst den Hausbesitzer um Erlaubnis, für alle Fälle.«
    Zwei Straßen weiter hatte der sein Office, gewissermaßen eine Inkasso-Stelle für die Mieten, die dort regelmäßig abzuliefern waren. Denn er besaß viele Häuser hier im Farbigenviertel in Washington.
    Im Hof standen zwei schwere Wagen, die sahen aus wie gepanzert. Die Türe zur ›Schalterhalle‹ öffnete sich auf ein Klingelzeichen. Drei Männer, Weiße, saßen hinter schußfestem Glas. An blauen Hemden trugen sie das Abzeichen irgendeines ›Security Office‹, einer privaten Bewachungsgesellschaft. Am Gürtel hing der Colt. Eine abgesägte Schrotflinte zierte die Wand hinter dem Schreibtisch.
    Für fünfzig Dollar erhielten- wir die Genehmigung, das Haus Nr. 156 in der F-Street zu betreten und sogar Filmaufnahmen zu machen. Auf eigenes Risiko! Natürlich! Mailer war inzwischen nach Hause gekommen. Der Hausmeister hatte ihn schon vorgewarnt. Ein verstörter, ängstlicher Mann, vielleicht war er vierzig, vielleicht sechzig. Er arbeitete bei der Wasserversorgung der Stadt.
    Seine Frau ging hinaus, als wir kamen, und ließ sich nicht mehr blicken. Im Zimmer nebenan hauste ein Ehepaar mit zwölf Kindern.
    Wir waren ohne Kamera gekommen – wir wollten Roczinskis schmerzhafte Erfahrungen nicht unbedingt wiederholen. Mailer legte uns einen Stapel alter Zeitungen auf den Tisch und blätterte sie auf: seine Geschichte in x-facher Variation. Mehr habe er nicht zu sagen! Das schien zu stimmen. Auf der Straße hatten sich einige schwarze Rocker eingefunden. Sie belagerten unser Auto und versuchten, uns zu provozieren. Der Hausmeister übernahm unseren Schutz. »Laßt die Weißen zufrieden«, rief er ihnen zu, »die kommen aus Europa, aus Deutschland. Die sind schon über fünfundzwanzig Jahre von den Yankees besetzt.« Er sagte ›occupied‹ – okkupiert! Verständnisvolle Gesten, Anteilnahme in den Gesichtern. Einer klopfte mir mitfühlend auf die Schulter. »Oh, Boy!«
    Als wir abfuhren, hoben sie alle die Faust – es war ein Gruß. Der Gruß der ›Black Panther‹.

 
47
 
    In Washington hatte Roczinski einen Oberst der Air Force interviewt. Einen ›alten Bekannten‹ hatte er ihn genannt. Aber die Suche in Roczinskis Nachlaß, in seinem Tagebuch, auf seinen Notizzetteln nach dem Namen, der Adresse, der Telefonnummer dieses Offiziers blieb vergeblich. Auch auf den Filmbildern war so gut wie nichts zu erkennen. Der Oberst saß mit dem Rücken zur Kamera, auch wenn er den Kopf wendete, war sein Profil nur eine Silhouette im Gegenlicht.
    Wie sollten wir einen Unbekannten finden, der sich offenbar nur unter der Bedingung fotografieren ließ, daß er später nicht identifiziert werden kann? Schade – lassen wir das also! ›West German Channel 2,‹
    Das Schild hing in Washingtons ›M-Street, N. W.‹ am Haus Nummer 2914.
    Die Außenredaktion des ZDF.
    Ein niederes Häuschen – genaugenommen waren es zwei, die nebeneinander lagen.
    Auf der Treppe kam mir Hanniek entgegen, Gerd Hanniek aus Bochum, Roczinskis Kameramann der ersten Tage und Wochen. Der gegenseitige Groll war offensichtlich vergessen, die Begrüßung fast herzlich. Hanniek schien über unsere Pläne gut informiert zu sein.
    »Sagen Sie, Herr Hanniek, wie lange haben Sie eigentlich mit Roczinski gearbeitet? War das nur dieses eine Projekt?«
    »Nein, das ging über ein Jahr. Ganz verschiedene Sachen, das fing an in Tel Aviv, Folklore-Festival, na ja, und dann ging das eben bis zu diesem 17. Oktober letzten Jahres. Da hab’ ich morgens um fünf meine Koffer gepackt und bin ab.«
    »Gab es oft Meinungsverschiedenheiten?«
    »Nee, eigentlich nie, nur zuletzt …«
    »Ich habe ein Tagebuch von Roczinski. Hier, 15. Oktober: geschrieben in Daytona Beach/Florida:
    ›Hanniek telefoniert hinter meinem Rücken mit unserer Redaktion in Washington und verbreitet dort Panik. Ich habe ihm gesagt: Halt die Schnauze und filme, das ist dein Job! Oder verschwinde! Wen sein Auge ärgert, der reiße es aus …‹ Harte Worte, was?«
    »Kann ich mal sehen?« – Hanniek schaute nicht sehr glücklich drein.

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