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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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erstreckte.
    Nur, wenn Dänikens Gegner recht hatten, wenn interstellare Raumfahrt nie und zu keiner Zeit stattgefunden haben konnte, dann war auch unsere Reise kreuz und quer durch diesen Kontinent ebenso sinnlos wie die Suche des Herrn Roczinski nach seiner Delegation, dann war auch dieser Flug nach Lima vergebens.
    Die Lust des Menschen, neue und kühne Ideen zu produzieren, war nur eine Winzigkeit größer als sein Trieb, alle neuen und verwegenen Gedanken zu bekämpfen. Und diese Winzigkeit machte den Fortschritt aus. Im Leben jedes einzelnen, so formulierte es unser Freund Werner Eggers, Arzt und Philosoph, macht es irgendwann einmal leise, aber unüberhörbar Klick! Wenn man Pech hat, mit achtzehn. Wenn man Glück hat, mit fünfundsechzig. Bei Begnadeten später.
    Von diesem Augenblick an ist der Mensch für die Aufnahme weiterer Erkenntnisse blockiert, sperrt er sich gegen alles beunruhigend Neue, bringt ihn keine Macht mehr zur Aufgabe liebgewordener Denkgewohnheiten, jagt ihm jede neue Erfahrung einen Schauer von Angst über den Rücken. Sein Kampf gegen Veränderung und Fortschritt hat mit dem Klick begonnen!
    Aber mit Klick allein ließ sich die zum Teil bösartig aggressive Front gegen Däniken nicht erklären. Auch die Wissenschaft kämpft zuweilen mit unwissenschaftlichen Mitteln. Demnach war mehr im Spiel:
    Dänikens Theorie erzeugte offenbar ein religiöses Gefühl, so tief, so geheim, so echt, so elementar, aber auch so erschreckend, daß ›Ketzerei‹ vermutet wurde. Seine Ideen wuchsen weiter in jenem tabuisierten Raum, den die etablierten Religionen bereits besetzt hielten.
    »Wo ist denn der neue Gott? Wo denn?« fragte selbst Däniken in einem Fernsehinterview einen Reporter, als dieser seiner Lesergemeinde auch religiöse Motive unterstellen wollte. Und keiner wagte daraufhin mit dem Finger auf diese uralten Darstellungen von ›Astronauten‹ zu deuten, auf diese Felsenbilder von ›Extraterristen‹, und zu sagen: Hier! Hier ist der neue Gott! Der Übermensch, der Retter und Friedensbringer, der Erlöser. Denn der neue Gott, das ist auch der alte. Wenn er vor Jahrtausenden hiergewesen ist, dann wird er wiederkommen!
    Nein, keine ›Ersatzreligion‹! Jede Religion ist echt und – so behauptet der aufgeklärte Humanismus – immer nur Ersatz für emotions- und damit auch ideologiefreie Philosophie. CG. Jung, der von seinem Landsmann Däniken und seinen Büchern nichts ahnen konnte, der dessen ›Evangelium‹ nicht mehr erlebte, verweist diese ›Schiffe aus Licht‹ in die Kategorie der ›psychischen Wandlungsphänomene‹. Archetypen der Götter. Also sind sie älter als unser Bewußtsein. Die ›Mandalas‹, die fliegenden, leuchtenden Scheiben, benehmen sich nicht wie Körper, schreibt Jung, sie sind eher schwerelos wie Gedanken.
    Antigravitation, Aufhebung der Schwerkraft, ein Zauberwort, von dem auch die progressivsten Physiker nur träumen dürfen, existiert bereits – in unserer Psyche. Haben wir also nur geträumt, wir alle, Däniken, Roczinski, die Höhlenmaler der Sahara, die Mayas, die Inkas, die Autoren des Gilgamesch-Epos, des Mahabharata, des Alten Testaments – oder sind sie tatsächlich hiergewesen, die ›Götter‹, körperlich, faßbar, leibhaftig – vor Jahrtausenden schon – und jetzt wieder, zwischen dem 9. September und dem 11. November?
    Werden sie wiederkommen? Sind sie noch hier – unter uns? Wir flogen über die Anden, über einsame Urwaldtäler, über die Quellen des Amazonas. Der verschneite Gipfel des Chimborasso zog langsam unter uns vorbei. Er sei 6272 Meter hoch, sagte der Kapitän.
    Die Karibik, Caracas, Bogota und Quito lagen hinter uns. Die Maschine war voll, die Luft war schlecht. Als wir in San Juan nur zu fünft auf die Maschine der Iberia zusteuerten, die in der prallen Sonne auf der Piste stand, schien sie leer zu sein. Ein schöner Traum: die einzigen fünf Passagiere in einer riesigen 707. Verwöhnt von einem halben Dutzend Stewardessen. Fabelhaft.
    Aber das war ein Irrtum: Die Maschine war angefüllt bis zum Rand mit dicken spanischen Mamas. Die kamen aus Madrid und fächelten sich die vierzig Grad heiße Luft mit den ›Instruktionen für den Ernstfall‹ in die verschwitzten Gesichter. Nur unsere fünf Sitze waren noch frei, verstreut über die ganze Maschine.
    Nun lag Lima unter uns. Die Berge traten etwas zurück. Die Sonne schickte sich an, über dem Pazifik unterzugehen. Ein Hauch von Abenteuer wehte uns entgegen. Südamerika! Da

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