Die denkenden Wälder
ja noch nicht ganz reif.«
Logan und Cohoma schienen verwirrt. »Willst du damit sagen«, fuhr sie fort, »daß du diese Pflanze um Genehmigung bitten mußtest? Daß du mit ihr gesprochen hast?« »Das habe ich nicht gesagt«, erklärte Born. »Emfatiert habe ich sie.«
»Emfatiert? Oh, du meinst, du hast die Frucht betastet, um zu sehen, ob sie reif war?«
Born schüttelte den Kopf. »Nein . . . emfatiert. Emfatiert ihr nicht mit euren Pflanzen?«
»Ich denke nicht, ich habe nämlich keine Ahnung, wovon du redest, Born.«
Er schien befriedigt, wenn es ihm auch keine Freude zu bereiten schien. »Ah, das erklärt eine ganze Menge.« »Mir nicht, gar nicht«, erwiderte Cohoma. »Hör zu, Born, willst du sagen, daß du mit dieser Pflanze geredet oder dich mit ihr unterhalten hast und daß sie es dir erlaubt hat, eine Frucht abzupflücken, ehe sie reif war?« »Nein, nein. Ich habe sie emfatiert. Wenn die Frucht reif gewesen wäre, hätte ich das natürlich nicht tun müssen.« »Warum, natürlich?« fragte Logan, der das Gespräch immer mysteriöser schien.
»Weil die Tesshanda dann mich emfatiert hätte.« »Irgendeine Art rituellen Aberglaubens«, murmelte sie. »Ich möchte nur wissen, wo das herkommt? Hilf mir aufstehen, Jan.« Das tat er, und sie zuckte sofort zusammen, beugte sich nach vorne und hielt sich den Leib.
»Kannst du gehen?« erkundigte sich Born, immer noch sehr geduldig. »Nein, aber ich bin eine geübte Humplerin.« Sie zwang sich zu einem schiefen Grinsen. »Manchmal ist ja die Medizin schlimmer als die Krankheit. . . Ich glaube nicht, daß du im Commonwealth große Chancen als Arzt hättest, Born, aber das ist jetzt schon das zweite Mal, daß du mir das Leben gerettest hast. Danke.«
»Das dritte Mal«, erklärte Born, ohne näher zu erklären. »Wir sind jetzt nahe beim Heim. Noch eine halbe Etage nach oben und zwei oder drei Etagen weit.« Die beiden Riesen stöhnten.
»Ich habe noch nie einen solchen Baum gesehen, nicht im Forschungsbericht und auch in keinem der anderen Berichte«, erklärte Cohoma, als sie Heim das erste Mal sahen.
»Du bist nicht auf dem laufenden, Jan«, meinte seine Partnerin. »Der vorletzte Gleiter, der nach Osten geflogen war, hat Einzelheiten darüber gebracht. Man nennt ihn einen Weber. Der Mittelstamm verjüngt sich kaum, bis er ein Niveau von fünf oder sechshundert Metern erreicht hat. Dann spaltet er sich ein paarmal auf und bildet ein ineinanderverwobenes Labyrinth von Einzelstämmen, die einen . . . nun . . . eine Art riesigen Korb in dem Baum bilden. Ein paar Dutzend Meter darüber verbinden sich die einzelnen Unterstämme wieder und bilden erneut einen einzigen Stamm, der bis an die Spitze des Waldes reicht. Nach dem Bericht sind die Zweige dieses kleinen ›Käfigs‹ mit roten Früchten bewachsen, hauptsächlich zuckerhaltiges Fruchtfleisch um einen nußähnlichen Kern, der mit mehr Nährstoffen angereichert ist als irgend etwas, das man bis jetzt gefunden hat ganz besonders an Niacin.« Sie näherten sich den ersten Stämmchen und gingen an einer dicken Tungtankel entlang.
»Siehst du diese Säcke, die aus den rosafarbenen Blüten wachsen? In dem Bericht steht, wenn man an einen stößt, bekommt man das Gesicht voll Pollenstaub. Wenn man das Zeug einatmet, heißt es, ade so steht es im Laborbericht. Fungussporen setzen sich in den Lungen und der Luftröhre fest, breiten sich sofort aus und ersticken einen binnen zwei Minuten.«
Plötzlich bemerkte sie, daß Born keine Anstalten machte, den tödlichen Gewächsen auszuweichen. »Wir gehen doch um diesen Baum herum, oder, Born? Es gibt hier doch bestimmt kein Gift, das deine Leute nicht kennen.« »Um den Baum herum?« Born musterte sie eigenartig. »Dieser Baum ist das Heim.« Er näherte sich dem Gewirr aus mit Blumen überladenen Schlingpflanzen und Ästchen. »Born . . .« Sie folgte ihm langsam, ohne die tödlichen Säcke aus den Augen zu lassen. Nur eine Berührung, und eine Wolke des erstickenden Pollenstaubes würde die Luft erfüllen.
Born blieb an der ersten Liane stehen, beugte sich vor und spuckte geradewegs in eine der großen Blüten, wich dabei dem angeschwollenen Pollensack aus. Ein Zittern schien die Schlingpflanze zu durchlaufen, während die schimmernden Blütenblätter sich schlossen. Das Zittern hielt an, und dann spannten sich die Schlingpflanzen wie ein Zweig, der sich vor der Flamme zurückzieht, rollten sich ein, gaben einen Weg durch das Gebüsch frei.
»Schnell jetzt«,
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