Die denkenden Wälder
anfühlte. Dann hielt sie zögernd die Lippen an den Rand und leerte ihn, ohne auf Cohomas Warnung zu achten, zur Hälfte. Den Rest gab sie ihm.
Cohoma studierte das Rohr argwöhnisch. »Woher wissen wir denn, daß er uns nicht vergiften will?«
»Wenn er uns töten wollte«, seufzte sie, »hätte er uns ja dem fliegenden Fleischfresser überlassen können. Jan, sei kein Narr. Daran ist nichts Gefährliches.«
Cohoma nippte widerstrebend, leerte den Behälter dann aber.
»Dein Fuß . . .wie fühlt er sich an?« erkundigte Born sich besorgt. Logan zog das Knie hoch und drehte das Bein dann so, daß sie die Sohle sehen konnte. Die Wunde war nicht so tief, wie sie befürchtet hatte. Jedenfalls nicht so tief, wie sie sich angefühlt hatte, als Born sie schnitt. Sie begann bereits zu heilen. Aber rings um die drei Stiche hatte die Haut sich gerötet.
»Wie wenn jemand mit dem Messer hineingeschnitten hätte«, konterte sie. »Wie sollte sie sich denn anfühlen?« »Außer dem Schnitt fühlst du nichts?« bohrte Born. Sie überlegte. »Ein leichtes Prickeln vielleicht, dort, wo ich in die Dornen getreten bin ... so wie wenn einem der Fuß einschläft. Aber das ist alles.«
»Prickeln«, sagte Born nachdenklich. Wieder suchte er den Busch um sie herum ab. Die beiden Riesen beobachteten ihn neugierig. Er blieb vor einer Pflanze stehen und pflückte dann eine blaßgelbe Frucht von einem Zweig ganz oben, wo diese Früchte in Dreiergruppen hingen. »Iß das«, wies er Logan an.
Sie musterte die Frucht unsicher. Von allen Früchten, die Born ihnen gegeben hatte, wirkte die hier am unsympathischsten. Sie hatte die Form eines kleinen Fäßchens mit braunen rippenähnlichen Vorsprüngen, die sie wie Bänder umliefen. »Mit der Haut?« »Ja, mit der Haut«, sagte Born und nickte. »Und schnell. Das ist besser für dich.«
Sie führte die Frucht zum Munde. So vieles auf dieser Welt täuschte einen vielleicht hatte dieses zäh aussehende Zeug einen . . . und dann biß sie hinein. Ihr Gesicht verzog sich angewidert. »Das schmeckt«, meinte sie zu Cohoma gewandt, »wie fauliger Käse mit Essig. Was passiert denn, wenn ich das nicht zu Ende esse?« fragte sie Born bittend. »Ich glaube ich denke, ich habe all das Gift aus der Wunde gesaugt, wenn nicht, dann hast du noch ein paar Augenblicke Zeit, ehe sich das restliche Gift in deinem Nervensystem ausbreitet und dich umbringt. Wenn das Antitoxin in der Frucht es nicht vorher neutralisiert.« Logan schlang das gelbe Fruchtfleisch mit einer Geschwindigkeit hinunter, die ihren Ekel Lügen strafte. Dennoch fand sie Zeit, sich darüber zu wundern, daß im Wortschatz dieser Leute Worte wie »Antitoxin« und Begriffe wie »Nervensystem«, »neutralisieren« durch all die Jahre haftengeblieben waren. Zweifellos, überlegte sie, wurden die Ausdrücke in dieser stets bedrohlichen Umgebung dauernd gebraucht. Als sie diesen Schluß gezogen hatte, weiteten sich ihre Augen, die Wangen traten ihr hervor, und sie wandte sich ab und würgte so elendiglich, daß Born und Cohoma alle Mühe hatten, sie festzuhalten, sonst wäre sie vom Kabbl gestürzt. Minuten später lag sie auf dem Rücken und rang nach Luft und fuhr sich langsam mit dem Unterarm über den Mund.
Sie keuchte. »Mir ist, als hätte man mich von innen nach außen gestülpt.« Sie preßte sich beide Hände an den Leib und betastete sich vorsichtig. »Aber alles ist noch da ich wäre jede Wette eingegangen, daß er weg ist.« Born achtete nicht auf ihre Klagen. »Wie fühlt dein Fuß sich jetzt an?«
»Er prickelt immer noch ein wenig.« »Nur dein Fuß?« beharrte er und musterte sie aufmerksam. »Nicht dein Knöchel oder die Wade hier?« Er betastete sie. Sie schüttelte den Kopf. Born knurrte etwas Unverständliches und stand auf. »Gut. Wenn das ganze Bein prickeln würde, hätte sich das Gift zu weit ausgebreitet, und ich könnte nichts mehr dagegen tun. Aber jetzt bist du außer Gefahr.« Sie nickte und versuchte mit Cohomas Hilfe aufzustehen. Dann musterte sie Born scharf. »He wenn es so wichtig war, daß ich die Frucht sofort esse, Born, warum hast du dann gezögert, ehe du sie abgepflückt und hergebracht hast. Nachdem, was du gerade gesagt hast, hätte ich in der Zwischenzeit sterben können.«
Der Jäger musterte sie mit dem geduldigen Blick, den man sich gewöhnlich für ganz kleine Kinder aufbewahrt. »Ich mußte sicher sein, daß die Tesshanda nichts dagegen einzuwenden hatte, daß ich ihre Frucht pflückte, sie war
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