Die denkenden Wäler
Freie hinaustritt? Ich sehe nichts.«
»Hier ist kein freier Raum«, erklärte Born geduldig. »Paßt auf.«
Sie zogen sich hinter einen Baumstamm zurück und warteten. Zehn, zwanzig Minuten des Schweigens verstrichen, und die beiden Riesen begannen nervös und unruhig zu werden. Da wanderte ein kleiner Brya ein vierbeiniger Pflanzenfresser etwa von der Größe eines Schweines auf das Stück »blauen Himmel« zu, während er in dem dichten Buschwerk nach eßbaren Wurzeln wühlte. Wieder entdeckte Born das Flattern am Rand des Stückchens Himmmel, wies aber Cohoma und Logan nicht darauf hin.
Das brauchte er nicht sie sahen es selbst.
Der Brya wanderte unter das Stück Himmel, und als er sich genau in der Mitte befand, stürzte der Himmel ein, mit Wolken und allem. Der zitternde Wolker glich einer dicken Matratze, die am
and mit Hunderten feiner Fäden bewachsen war. Sie hüllten den Brya, der einen letzten quietschenden Laut ausstieß, buchstäblich
ein. Der Wolker krampfte sich ein paar Minuten lang konvulsivisch zusammen und entspannte sich dann. Fünf Minuten später breitete sich der Rand aus Tentakeln und Fäden wieder aus. Der Wolker kletterte wieder zu seinem Nest empor und streifte dabei die ihn umgebende Vegetation ab, damit genügend freier Raum unter ihm blieb. Dann bezog er wieder vier Meter über dem nächsten Kabbl seinen Posten. Oben war er grün gefleckt; seine Unterseite sah aus wie ein Stück Himmel mit ziehenden Wolken. Logan mußte zweimal hinsehen, um sich davon zu überzeugen, daß es sich wirklich bewegt hatte. Ein paar Knochen, die selbst für die höchst wirksamen Verdauungssäfte des Wolkers zu zäh waren, fielen herunter.
»Tarnung lasse ich mir eingehen, Mimikry auch«, flüsterte Logan. »Aber ein Fleischfresser, der den Himmel imitiert . . .«
Cohoma war ähnlich beeindruckt, insbesondere bei der Vorstellung, daß er die Stelle des Brya hätte einnehmen können, hätten die Pelziger sich nicht eingeschaltet. Born seufzte und wandte sich zum Weitergehen. »Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber Himmel ist Himmel, und ein Wolker ist ein Wolker. Ihr spürt es nicht. Ihr seid blind«, sagte er kopfschüttelnd und trat auf den Kabbl. Logan und Cohoma, gebührend zerknirscht, folgten ihm und blickten etwas unsicher nach rechts, als sie den unschuldig wirkenden Kreis aus Blau und Weiß passierten.
»Da bildet man sich ein, man hätte dieses Ökosystem begriffen«, murmelte Cohoma, »Räuber und Opfer identifiziert und katalogisiert, und da reißt einem so etwas fast den Kopf ab. Fleischfresser, die den Himmel imitieren!« Drei Tage später begegneten sie dem Palinglas und entrannen erneut um Haaresbreite dem Tode.
Wochen waren vergangen. Sie schlugen in der Höhlung eines Säulenzweiges ein besonders bequemes Lager auf. Die Höhle im Holz war mehr als groß genug, um ihnen allen sechs bequeme Unterkunft zu bieten sofern sie leer war. Born und Losting winkten, als sie die Öffnung erblickten, den beiden Riesen zu, etwas hinten zu bleiben. Dann näherten sie sich vorsichtig der mächtigen Narbe im Holz, die geladenen Bläser schußbereit. Es war unwahrscheinlich, daß eine solch schöne solide Behausung, die noch dazu so geräumig war, keinen Bewohner beherbergen sollte. Aber so war es tatsächlich. Weder Ruumahum noch Geeliwan hatten irgendeine Witterung aufgenommen. Als die Jäger die Höhle betraten, fanden sie nur etwas vertrockneten Kot und mehr Totholz, als sie für hundert Feuer brauchen würden. In jener Nacht beleuchtete luxuriöses Feuer das Innere des Zweiges, spiegelte sich in schwarzen Knoten und verzerrten Stalaktiten aus zersprungenem Holz oder Rinde. Born studierte die Riesen. Von dem Feuer und ihrem ausgezeichneten Quartier milde gestimmt, war ihm mehr nach reden zumute als seit vielen Tagen.
»Langsam beginne ich zu glauben, daß ihr wirklich von einer anderen Welt kommt, Kimilogan.« Cohomas
Gesichtsausdruck blieb unverändert, aber Logan schien erfreut, als er sich an sie wandte.
»Das ist ein großer Schritt, den du da tust, und ein sehr wichtiger obendrein. Aber es überrascht mich nicht, daß du ihn getan hast. Du bist offensichtlich der einsichtigste deines Volkes und von allen für Veränderungen und neue Ideen am aufgeschlossensten. Es wird sehr wichtig sein.« Sie stocherte mit einem Ast in den Kohlen herum und lauschte dem ständigen Tröpfeln des Nachtwassers draußen. »Weißt du, Born, wenn du und dein Volk und die anderen Stämme hier sich wieder der
Weitere Kostenlose Bücher