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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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übergeworfen und die Schuhe angezogen. »Du musst die Waschmaschine nachher noch auf Schleudern stellen«, sagte sie zu Dille. Und zu mir sagte sie: »Komm, Piet, wir gehen. Wir haben immer noch nicht gefrühstückt!«
    Ich sah auf die Uhr: Es war halb drei!

    Um kurz vor drei saßen wir auf der Wiese am Goldbekufer. Es war ein für Hamburg ungewöhnlich sonniger und milder Tag. Wir hatten uns aus einem Imbiss zwei Croques geholt, zwei Piccolo MM , eine Flasche Orangensaft und zwei Plastikbecher. Susann schenkte uns Sekt ein. Sie gab mir den einen, nahm den anderen und hob ihn hoch: »Auf wieder gefundene Freunde!«
    »Auf uns!«, sagte ich.
    Wir tranken beide einen Schluck.
    »Ich bin froh, dass du wieder da bist«, sagte Susann. Und ihr Lächeln war so süß wie Karamell.
    Okay, das war das Signal! Ich stellte den Becher ins Gras, bewegte meinen Oberkörper in ihre Richtung und wollte gerade zart ihren Kopf nehmen und sie küssen, als ich Susanns Hand auf meiner Brust spürte. Sie brauchte nicht viel Druck auszuüben, um mich zu bremsen. Sie schüttelte bloß den Kopf. Ein wenig traurig, vielleicht sogar bedauernd, wie mir schien.
    »Das Kapitel ist abgeschlossen«, sagte sie. »Ich werde Norbert heiraten. Ich liebe Norbert! Ganz gleich, was Sven und Knut dir erzählt haben: Er ist ein toller Mann. Und du hattest deine Chance. Es tut mir Leid.«
    Ich war ganz Mann! Ich war so voller Würde, dass mir übel wurde! Ich war Bogart in Casablanca , ich war Sam Shepard, ich war ein einsamer Wolf: »Ja. Ich verstehe. Entschuldige.« Und dann tranken wir den Sekt aus, redeten krampfhaft locker über dies und das. Ich weiß nicht mehr, worüber. Ist doch auch egal.
    * * *
    »Wow!«, rief Petra, als sie in den Backofen schaute. »So geil sah der ja nicht mal aus, als wir ihn gekauft haben!«
    Dille grinste. Das war grandios! Keine fünf Stunden nachdem Susann und Piet verschwunden waren, hatte Petra plötzlich vor der Tür gestanden. Schuldbewusst bis zum Abwinken! Sie war ihm in die Arme gefallen, hatte sich entschuldigt, hatte mindestens zwölfmal gesagt, wie sehr sie ihn liebte, und ihn so leidenschaftlich geküsst, dass er verstohlen seinen Ständer in die Unterhose zurückschob, als Petra dann ihre jubelnden Kinder begrüßte. Und dass die Wohnung aussah wie geleckt, dass Dille sogar die Wäsche in Angriff genommen hatte, war natürlich die Krönung! Natürlich sagte Dille kein Wort über Susann und Piet – er war doch nicht dämlich. Stattdessen sagte er: »Und nächste Woche kannst du dich ja mal als stellvertretender Filialleiter versuchen. Mal sehen, ob du das auch so gut hinkriegst!«
    »Es tut mir so Leid! Ehrlich!«, rief Petra und küsste und küsste ihn wieder. »Bitte sei mir nicht böse. Mir ist einfach der Kragen geplatzt. Es tut mir Leid!«
    »Schon okay«, sagte Dille gönnerhaft. Und insgeheim nahm er sich vor, in Zukunft zumindest etwas aufmerksamer zu sein. Er hatte wirklich nicht geahnt, was für ein Koordinationstalent man brauchte, wenn man einen Haushalt und drei Kinder auf die Reihe bekommen wollte. Er dachte: Ich werde mir in Zukunft mehr Mühe geben, meiner Familie gerecht zu werden. Vor allem aber dachte er: Wann können wir endlich die Kinder ins Bett bringen? Ich will diese Frau vögeln, bis sie qualmt! Mein Gott sieht sie toll aus!
    * * *
    Susann und Norbert heirateten am 3. Dezember. Ich war herzlich eingeladen, doch ich brachte es nicht fertig hinzugehen. Ich schickte den beiden aber per Fleurop einen großen Blumenstrauß und wünschte ihnen auf einer Karte alles Gute.
    Während die beiden auf dem Standesamt waren, saß ich allein zu Hause. Ich war fest entschlossen, nicht zu weinen. Und dass ich es trotzdem tat, geht niemanden etwas an!

1990
    I ch hatte mir einen Computer gekauft. Bislang hatte ich als so ziemlich Letzter meiner Zunft noch eisern eine Schreibmaschine benutzt, doch weil mir nun seit geraumer Zeit nichts, aber auch gar nichts mehr so recht gefiel, was ich schrieb, musste etwas geschehen. Meinen Kopf konnte ich nicht austauschen, also wechselte ich das Gerät . Das war zumindest in einer Hinsicht praktisch: Ich musste jetzt nicht mehr haufenweise Zettel wegwerfen, sondern brauchte ab sofort einfach nur noch die Del -Taste drücken. Del für Delete .
    Ich hätte natürlich bei der Morgenpost bleiben und weiterhin über Zweitligafußball, Drittligapolitik und den Aufmarsch der zwanzig besten Seemannschöre beim alljährlichen Hafengeburtstag schreiben können, aber mir

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