Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
kippen sie etwas um, und machen was kaputt! Hier macht man sauber, da machen sie schon wieder Dreck!«, stenografierte der nahezu hyperventilierende Familienvater mir seine Schicksalsgeschichte entgegen.
Ich lächelte ihm aufmunternd zu: »Ist okay, Alter! Lüfte deine Stöpsel ein paar Stunden draußen aus. Und Susann und ich machen hier klar Schiff.«
»Susann und du …«, murmelte Dille, dem scheinbar erst jetzt die volle Tragweite der Situation aufging. »Seid ihr beide etwa wieder …?«
»Nee!«, sagte ich. Dann hielt ich inne. Oder? »Weiß nicht«, befand ich schließlich.
* * *
Es hatte Petra 270 Mark gekostet, ihren Urlaub um vier Tage verkürzen und einen früheren Charterflug der TUI nach Hause nehmen zu dürfen. Sie fand es zwar ausgesprochen absurd, dass man dem Reiseveranstalter einen Bonus zahlen musste, wenn man sein Zimmer früher als erwartet räumte, zudem auf viermal Frühstück und sogar den im Pauschalpreis bereits enthaltenen Busausflug in die malerische Bucht von Lagos verzichtete. Aber sie zwang sich, dem Reiseleiter, der die Wölbungen ihres T-Shirts erheblich sorgfältiger studierte als ihre Reisepapiere, keine Szene zu machen. Das war schließlich einer der Gründe, warum sie ihren Urlaub beenden wollte: Sie wollte nicht noch mehr Ärger haben!
Am Abend zuvor hatte es nämlich gekracht!
So erheiternd und auch ein wenig schmeichelhaft Petra es die ersten drei Abende gefunden hatte, wie die Kerle sie belauerten, sich cooler gaben, als sie waren, ihr vermeintlich lässige Blicke zuwarfen und ihr mindestens drei Drinks pro Stunde angeboten wurden, so sehr ging es ihr ab dem vierten Tag dann auf die Nerven. Petra hatte die Schnauze voll davon, ein potenzieller Edelfick zu sein. Denn darum ging’s ja schließlich: die schönste Frau der Hotelanlage zu poppen! Sie wusste: Selbst wenn sie dumm wie Brot wäre und ihr das Formulieren zusammenhängender und sinnvoller Sätze immense Schwierigkeiten bereiten würde, würden sich all diese Flachwichser dennoch unermüdlich abstrampeln, um sie in ihr Zimmer locken zu können.
Zugegeben: Ganz am Anfang hatte sie noch ein wenig übers Fremdgehen fantasiert, dachte, es sei irgendwie nötig, zumindest einmal in ihrem Leben mit jemand anderem Sex zu haben als mit ihrem Ehemann. Aber nach dieser dreitägigen Parade männlichen Sondermülls wurde ihr schon beim bloßen Gedanken an einen Seitensprung übel.
Plötzlich wurde Petra klar, was sie an Dille hatte!
Der hatte sich in sie verliebt, als er noch nicht einmal ahnen konnte, dass sich die ruppige Rotzlöffelgöre einmal in eine Schönheit verwandeln würde. Der suchte ihre Nähe schon, als sie Kinder waren und ihre einzigen körperlichen Kontakte beim Rangeln und Raufen stattfanden. Dille, das wusste Petra, liebte sie! Sie! Petra, den Menschen! Und wenn sie ihr Gesicht mit heißem Fett übergießen und fortan wie Quasimodo aussehen würde, würde er sie noch immer lieben …
Okay, na ja, übertreiben wir nicht, dachte Petra – aber Orangenhaut, Übergewicht und Falten würde er ganz sicher schlucken!
Und so saß Petra also da, in ihrem Liegestuhl, und beschloss zu tun, was sie eigentlich auf keinen Fall hatte tun wollen: Sie wollte Dilbert anrufen, sich nach ihm erkundigen, sich vielleicht sogar entschuldigen! Und sie wollte ihm sagen, wie sehr sie ihn liebte! Doch gerade als sie sich aufrichten und zu der Telefonkabine in der Rezeption gehen wollte, kam einer dieser Testosteronlurche angeschlichen. Ein besonders fieses Exemplar, denn er sah nicht mal gut aus, war bestimmt schon über vierzig und ziemlich schwammig um die Hüften. Trotzdem maß er sich an, Petra anzubaggern: »Hallo!«, sagte er mit einer Schmierseifenstimme, die ein wenig gepresst klang, da er beim Reden den Bauch einzog. Für wie dämlich hielten diese Typen die Frauen eigentlich? Glaubten sie wirklich, wenn sie für drei Minuten die Wampe einfahren, vergessen die Damen plötzlich, welch Geschwabbel ihren Sehnerven für die restlichen 23 Stunden und 57 Minuten des Tages zugemutet wurde?
»Hallo«, sagte der Schmiermann also.
»Auf Wiedersehen«, blaffte Petra und erhob sich.
»Das ist aber unhöflich«, lachte der Schmiermann. »Ich wollte Sie doch nur fragen, was …«
»Verpiss dich!«, sagte Petra, die es kaum erwarten konnte, Dilles Stimme am Telefon zu hören.
»Also wirklich!« Jetzt war der Schmiermann richtig empört. Und dann tat er, was er besser nicht hätte tun sollen: Er fasste Petra an den Arm!
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