die Detektivin in Jeans
mir beim Fertigmachen zu helfen. Sie hat sich
gestern schon wegen Rainer aufgeregt...“
„Ich habe vergangene Nacht auch
schlecht geschlafen. Muß wohl der Wetterumschwung dran schuld gewesen sein“,
bemerkte Herr Seibold, um ein anderes Thema ins Gespräch zu bringen, denn er
sah an Frau Ansbachs Miene, daß sie sich wegen der Vorgänge in der Familie
ihrer Tochter sorgte. „Sogar Susi war unruhig“, fuhr er, den Hund mit
Knäckebrot fütternd, fort. „Sie scheint die Katzen von nebenan gewittert zu
haben. Die haben sich heute nacht wieder in meinen Blumenbeeten gewälzt. Die
Margeritenbüsche sind ganz flach gelegen.“
„Hat die Katzen-Marie neue
Tiere gekriegt? Wie viele Katzen hat sie jetzt wohl?“ erkundigte sich Joschi.
„Das weiß sie selber nicht“,
meinte Herr Seibold seufzend.
„Zwanzig werden es mindestens
sein“, vermutete Frau Ansbach mit einem giftigen Blick auf das hinter Flieder-
und Schattenmorellenbäumen versteckte Nachbargrundstück. Eine alte, etwas
wunderliche Frau lebte dort. Katzen-Marie wurde sie genannt. Niemand in der
Straße mochte sie leiden. Frau Ansbach und Herr Seibold fanden sie
bemitleidenswert, weil sie so menschenscheu war. Doch daß sie ihre Einsamkeit
mit sämtlichen räudigen Katzen teilte, die ihr zuliefen, und mit
pflegebedürftigen Hunden, die sie aus dem Tierheim holte, mißfiel auch ihnen.
Die Tiere fanden immer wieder eine schadhafte Stelle im Zaun — oder wühlten so
lange, bis sie eine geschaffen hatten —, durch die sie in Herrn Seibolds Garten
gelangten, wo sie die Beete ruinierten oder sich mit Susi anlegten.
Sandra und Joschi liebten die
Katzen-Marie, die in Wirklichkeit Frau Arnold hieß und die Witwe eines Kirchen-Organisten
war.
Niemand sonst zeigte soviel
Verständnis für die Entdeckerfreude von Kindern wie sie. Solange Sandra ihre
Schulferien bei ihrer Großmutter in Herrn Seibolds Haus verbrachte, war sie
täglicher Gast der schrulligen Nachbarin, die Sandra gar nicht schrullig
erschien. Zusammen mit Joschi, der Sandra oft Gesellschaft leistete,
durchstöberten sie Frau Arnolds alte Scheune, den Speicher und die Schuppen.
Sie pflegten die kranken Katzen und Hunde, sammelten Löwenzahn für die Hasen
und erholten sich von diesen Tätigkeiten mit Quarkbroten, unterlegt mit
selbstgekochter Marmelade. Und sie hatten die Erlaubnis, so laut und so falsch
auf dem alten, verstimmten Harmonium zu üben, wie es ihnen gefiel.
„Gehen wir nachher mal zu ihr
rüber?“ wandte sich Sandra an Joschi, dem Frau Ansbach ein zweites Tortenstück
auf den Teller gab.
„Schmeckt mein Rhabarber?“
fragte Herr Seibold, der heldenhaft an seinem Knäckebrot knabberte.
Joschi nickte mit vollem Mund.
„Spitze!“ versicherte Sandra.
„Mögen Sie keinen?“
Herr Seibold schielte zu seiner
Haushälterin hin, die sich den Kuchen ebenfalls schmecken ließ.
Frau Ansbach stand auf, hob mit
der Tortenschaufel ein schmales Stück auf Herrn Seibolds Teller und garnierte
es mit einem Löffel voll Schlagsahne. „Ich habe mal gelesen, daß es fast
gesundheitsschädlicher ist, wenn jemand ständig auf alle kleinen Freuden des
Lebens verzichtet, als wenn er gelegentlich einen Diätfehler begeht.“ Sie
nickte Herrn Seibold aufmunternd zu. „Es wird Sie nicht gleich umbringen. Essen
Sie eben heute abend einen Salat statt Brot.“
Herr Seibold hörte nichts
lieber. Er aß den Kuchen bis auf einen kleinen Rest, den er Susi zukommen
lassen wollte. Doch Susi sprang plötzlich von der Terrassenmauer und stob laut
kläffend die Stufen hinunter in den Garten. Sie hatte ihren Erzfeind entdeckt:
einen großen braungelb gestreiften Tigerkater.
Sie hörten den Kater fauchen.
Hörten Susis hysterisches Bellen. Vermutlich hatte Susi den Kater in die Enge
getrieben. Er fand den Weg durch den Zaun nicht zurück, und Susi ließ es nicht
zu, daß er sich auf einen Baum rettete.
Dann jaulte Susi kläglich. Der
Kampf schien zu Gunsten des Katers entschieden worden zu sein.
Sandra und Joschi liefen in den
Garten, um Susi zu helfen. Doch da kam sie ihnen bereits auf dem Gartenweg
entgegen: mit eingezogenem Schwanz und blutender Schnauze. Tiger war
verschwunden.
Herr Seibold, der den Kindern
gefolgt war, schimpfte Susi aus, nahm sie dann auf den Arm und trug sie ins
Haus, um die Wunde zu behandeln.
Sandra und Joschi gingen weiter
zur Mauer am Ende des Gartens, die das Grundstück zur Flußseite hin begrenzte.
Ein mächtiger alter Akazienbaum
stand dort. Er hatte dicke knorrige Äste
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