die Detektivin in Jeans
vormittag
besucht. Außerdem hatte Rainer getrunken und bildete sich ein, man würde ihm
deshalb nicht glauben. Dabei hätte er nur bei den Nachbarn, die herausgelaufen
kamen, stehen bleiben und sie auffordern sollen, ihn nach der Tatwaffe zu
durchsuchen. Die Pistole wurde leider bisher nicht gefunden. Aber nein, Rainer
verlor den Kopf. Er fürchtete auch Ärger, weil er in alkoholisiertem Zustand
Moped fuhr.“ Herr Seibold seufzte. „Rainer ist ja nun alles andere als ein
Held. Wenn‚s Probleme gibt, läuft er davon. Das wissen wir ja.“
Sandra nickte. Wenn Rainer
Schwierigkeiten in der Schule hatte oder später auf seiner Lehrstelle, dann
traute er sich nie nach Hause. Einmal hatte er sich wegen seiner schlechten
Zeugnisnoten eine ganze Nacht auf dem Dachboden des Nebenhauses versteckt.
Sandra stöberte ihn dort mit Joschi auf.
„Ich glaube, er tut‚s wegen
Mama“, sagte sie. „Er hat immer Angst, Mama zu enttäuschen.“
Herr Seibold nickte. „Er sagt,
er fuhr ziellos in der Stadt herum...“
„Deshalb hat er mich heute
morgen nicht geweckt. Er war nicht zu Hause“, sagte Sandra.
„Sein Nierenschutz! Er muß hier
übernachtet haben!“ rief Joschi.
„So ist es“, bestätigte Herr
Seibold. „Susi muß ihn gehört haben. Und ich dachte, sie rege sich wegen der
Katzen auf. Hätte ich doch nur nachgesehen! Statt dessen schimpfte ich sie
aus.“ Herr Seibold tätschelte Susi, die zu seinen Füßen lag.
Als er sich wieder aufrichtete,
fuhr er fort: „Angeblich soll Rainer, so sagte er jedenfalls aus, gegen Morgen
den Entschluß gefaßt haben, sich der Polizei zu stellen, um seine Aussage zu
machen und um zu erfahren, was mit Eva war. Er sorgte sich natürlich um sie.
Unglücklicherweise brauste er, durcheinander wie er war, und eilig, wie er es
plötzlich hatte, ohne Licht und bei Rot durch die Straßen. Eine Verkehrsstreife
sah ihn und gab ihm Zeichen, anzuhalten. Rainer geriet erneut in Panik und
versuchte, dem Streifenwagen zu entkommen.“ Herr Seibold stöhnte. „Er hat aber
auch alles falsch gemacht! Die Streife verfolgte ihn. Als sie ihn stellten,
sagte Rainer: ,Ich war‚s nicht! Ich habe sie nicht erschossen!‚ Da wußten die
Beamten, wen sie vor sich hatten. Sie brachten ihn zur Vernehmung aufs Revier
und führten ihn schließlich dem Haftrichter vor. Da Rainer sich seiner
Verhaftung widersetzt und sich durch seine zweimalige Flucht verdächtig gemacht
hatte, ordnete der Haftrichter wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr seine
Einweisung in Untersuchungshaft an. Man hat deine Mutter heute morgen davon
verständigt. Sie war inzwischen bei Rainer.“
„Und ich saß in der Schule!“
stöhnte Sandra.
„Da warst du doch gut
aufgehoben“, meinte Herr Seibold.
Sandra blitzte ihn verweisend
an. „Wo das alles mit Rainer passierte! Nicht mal heute mittag habe ich was
gewußt. Als ich heimkam, war meine Mutter nicht da. Sie hätte mir eine Nachricht
hinterlassen können.“
„Mann, sollte sie dir einen
Zettel hinlegen ,Rainer ist im Knast?“ sagte Joschi.
Sandra wurde rot. „Wie geht es
Rainer?“
Herr Seibold zuckte hilflos die
Schultern. „Gut wird‚s ihm in seiner augenblicklichen Situation nicht gehen.
Aber das wird wieder.“
„Glauben Sie, daß er‚s getan
hat?“ fragte Joschi.
Sandra blickte Joschi empört
an.
Doch Herr Seibold nahm die
Frage ernst. Er war ein alter, erfahrener Strafverteidiger. Und er wußte, daß
Menschen in Ausnahmesituationen zu vielem fähig waren. Rainer befand sich seit
langem in einem verzweifelten seelischen Zustand. Die Trennung von Eva überwand
er nicht. Und daß er auch noch von seinem Nebenbuhler zusammengeschlagen worden
war, das konnte einen sensiblen Jungen wie Rainer schon die Fassung verlieren
und an Rache denken lassen. Herr Seibold nahm an, daß diese vorausgegangene
Schlägerei, deren Spuren in Rainers Gesicht ja noch deutlich zu sehen waren,
wie Frau Faber sagte, bei der Entscheidung des Haftrichters, ob Rainer trotz
seiner Unschuldsbeteuerungen als Tatverdächtiger anzusehen sei, eine nicht
unerhebliche Rolle gespielt hatte.
Doch Herr Seibold kannte Rainer
seit vielen Jahren. Er hielt ihn für fähig, im Affekt zuzuschlagen, wenn er in
die Enge getrieben wurde. Doch einen überlegten Mordanschlag traute er ihm
nicht zu. Die Verteidigung würde ein psychiatrisches Gutachten über seine
seelische Gesamtstruktur beantragen müssen.
„Ich halte ihn nicht für
schuldig“, sagte er. „Ich glaube Rainer. Außerdem: woher sollte
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