Die deutsche Götterlehre
und langes Leben. Als den Zwergen und Elben verwandt, weissagen sie und wissen voraus, wann Jemand sterben wird; oft erscheinen sie alsdann wehklagend in der Nähe des Sterbhauses. Nicht immer sind die Kinder der Menschen vor ihnen sicher. Einem Manne wollten sie seinen Knaben stehlen, aber er merkte es noch frühzeitig genug, nahm ihnen das Kind ab und fragte sie barsch, was sie mit demselben hätten machen wollen? Da sagten die wilden Weibchen: »Er wird bei uns bessere Pflege haben, es wird ihm besser gehen, als zu Hause, und der Knabe wäre uns lieb, Leid wird ihm nicht widerfahren.« Allein der Vater liess das Kind nicht aus den Händen und die wilden Weibchen gingen bitterlich weinend von dannen. Einen Hirtenknaben entführten sie wirklich, die Holzknechte sahen ihn erst ein Jahr nachher in einem grünen Kleid auf einem Stock des Berges sitzen. Den folgenden Tag nahmen sie seine Aeltern mit sich, aber sie gingen umsonst, der Knabe kam nicht mehr zum Vorschein. Vielfach werden ihre schönen langen Haare gerühmt. Diese waren Schuld, dass ein Bauer sich einst in ein wildes Weibchen verliebte, Abends zu ihr ging und sich ohne Scheu neben sie auf ihr Lager legte, ohne jedoch mit ihr zu sündigen. Das Weibchen fragte ihn, als er am folgenden Abend wiederkam, ob er nicht eine Frau habe? Der Bauer sprach nein, obgleich es die Unwahrheit war. Als er am Abend des dritten Tages wieder ausging, machte seine Frau sich allerlei Gedanken, wohin ihr Mann wohl gehen möge, spähte ihm nach und fand ihn auf dem Felde schlafend neben dem wilden Weibchen. »O behüte Gott, sagte sie zu dem Weibchen, deine schönen Haare! Was thut ihr denn da miteinander?« Mit diesen Worten wich des Bauern Frau, der Bauer war aber sehr erschrocken. Da sprach das Weibchen: »Hätte deine Aerger und bösen Hass gegen mich zu erkennen gegeben, so würdest du jetzt unglücklich sein und nicht mehr von dieser Stelle kommen, aber weil deine Frau nicht böse war, so liebe sie fortan und hause getreu mit ihr und untersteh dich nicht mehr daher zu kommen. Nimm diesen Schuh voll Geld von mir, geh hin und sieh dich nicht mehr um.«
Auch die Moosweibchen sind gleich den Zwergen unzufrieden mit dem heutigen Weltlauf, sie ziehen sich zurück und verschwinden endlich ganz, denn »es ist keine gute Zeit mehr«.
Wassergeister. 69
Wir verlassen das Gebiet der elbischen Wesen noch nicht, wenn wir zu den Wassergeistern übergehen: auch sie gehören zu ihnen. Wie Frau Holda im Brunnen ihre Wohnung hat, so bewohnen auch die nach ihr genannten Holden, guten Holden das Wasser und werden dadurch zu Wasserholden , zu Genien des Wassers, die dann den üblichern Namen von Nix und Nixe bei uns tragen; seltner hört man Nickel oder Nickelmann . In einigen Gegenden, namentlich im Südwesten Deutschlands, kommt der Name Mümmelchen vor; daher heissen mehre von diesen Genien bewohnte Seen Mummelsee, so wie die Wasserlilie nach ihnen Mümmelchen, Mummel genannt wird, anderswo Wassermännlein. Auch die Seeblume heisst nach ihnen Nixblume.
Die Nixe und Nixen erscheinen selten in Gesellschaft, meistens allein. Sie haben oft menschliche Grösse, tragen einen grünen Hut und zeigen, wenn sie den Mund blecken, grüne Zähne; oft haben sie gleich den Wasservögeln übergrosse Füsse. Zuweilen sieht man sie auch in der Gestalt eines rauhhaarigen wilden Knaben, anderemale gelbgelockt mit rothem Hut. Im allgemeinen ist die Gestalt der Nixe weniger schön als die der Nixen, die gleich den Elben- und Zwergfrauen von zauberisch verlockender Schönheit sind. Diese erscheinen oft um Mittag auf den Wellen sich wiegend und sonnen sich, während sie mit goldnem Kamm ihre langen Haare strählen. Gleich andern elbischen Wesen finden wir auch sie im Verkehr mit den Menschen, die männlichen jedoch weniger als die weiblichen. Die letztern gehen oft ans Land, nur an dem nassen Kleidersaum oder dem Zipfel ihrer Schürze erkennbar, und mischen sich gern in die heitern Tänze, die Abends unter der Dorflinde stattfinden, wie sie denn überhaupt die Freude an Musik, Gesang und Tanz mit den Elben theilen. Drei schöne Nixen finden wir in zahlreichen Sagen bei den Tänzen der Dorfjugend, aber sie verschwinden jedesmal, sobald die Uhr zwölf schlägt. Ein Jüngling, der glühende Liebe zu einer der Jungfrauen fasste, rückt die Uhr um eine Stunde zurück, um länger der Nähe der Geliebten zu geniessen; nach andern enthält er ihr einen ihrer Handschuhe vor, oder sie verspäten sich alle durch Zufall bis
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