Die deutsche Götterlehre
nahm der Mensch nicht Alles für sich; das erlegte Wild, die Vermehrung seiner Heerden betrachtete er als ihr Geschenk, und dankte ihr opfernd dafür. Er fühlte in all diesem Segen Beweise ihrer Huld und Gnade, in der Entziehung desselben sah er Zeichen ihres Zornes und beeilte sich, denselben durch Opfer abzuwenden, sie sich von neuem geneigt zu machen. Sobald anhaltende Dürre, Miswachs und daraus folgende Hungersnoth eintrat, Seuchen unter den Menschen oder dem Vieh wütheten, oder andere Unglücksfälle hereinbrachen, vereinigte sich das Volk und flehte betend und opfernd um Gnade und Rückkehr der alten Huld.
Weil die Götter die Güte meistens vorwalten lassen und seltner zürnend dies durch Strafen, wie die angedeuteten sind, kundgeben, so waren die Dankopfer die frühesten und häufigsten, und weil die Beweise jener Güte sich täglich oder jährlich aufs neue offenbaren, so wurden sie mit der Zeit stehend und gingen in regelmässig wiederkehrende Feste über. Sie haben alle einen heitern Anstrich, der noch dadurch gewinnt, dass die dargebrachten Gaben meistens dem Pflanzenreich gehören. Ernst dagegen ist das Sühnopfer ; zu ihm genügten jene schuldlosen Gaben nicht, bei ihm musste Theureres dargebracht werden, es musste ein Leben entströmen, Blut fliessen; das schien stärker bindende und sühnende Gewalt auszuüben. Je wichtiger der Anlass zum Opfer, je grösser der Zorn der Götter war, um so kostbarer musste der zur Sühne dargebrachte Opfergegenstand sein.
Aller Opfer höchstes war das Menschenopfer ; in ihm begegnen sich alle alten Völker. Menschen bluteten bei den Deutschen nur den erhabensten Göttern. Man nahm dazu fast durchgängig Männer und zwar Kriegsgefangene, Sklaven oder schwere Verbrecher; nur einmal wird eines Opfers von Frauen und Kindern gedacht. Wie man den Erstling des Viehes den Göttern schlachtete, so auch den Erstling der gefangenen Feinde, die gleichsam den Gewinn, die Ernte des Krieges ausmachten. Bei schweren Unglücksfällen sanken aber selbst Königssöhne und Könige, wie die Schweden einmal bei einer grossen Hungersnoth ihren König Dômaldi opferten. Der König war der theuerste Mann des Volkes, sein Name wird selbst oft von der Gottheit genommen; da er der Herr auf Erden ist, wie jene im Himmel herrschend waltet. Seine hohe Würde legt ihm gleich hohe Pflichten auf und das Alterthum hielt dafür, dass deren Verletzung von den Göttern an dem Volke gerächt werde; darum musste er bei allgemeiner Noth als Sühne bluten, denn er galt als der Schuldige, der die Noth herbeigeführt habe.
Zwar waren auch Thieropfer von sühnender Kraft, doch wurden sie zumeist als Dankopfer dargebracht, so der Erstling der Heerde als Dank für den Segen des Stalles, so das ersterlegte Wild als Dank für den Segen der Jagd u. s. w. Sie bestanden wiederum nur aus männlichen Thieren und zwar aus solchen, deren Fleisch geniesbar war, denn man hielt es für unschicklich, der Gottheit eine Speise zu bieten, welche der Opfernde selbst verschmäht hätte, Wie das Gebet eine geistige Vereinigung mit Gott ist, so vereinigte man sich auch beim Opfer mit den Göttern bei demselben Mahl: der Gottheit wurde ein bestimmtes Stück, meistens das Haupt des geschlachteten Thieres dargebracht, das Uebrige in der Versamlung verzehrt.
Das vornehmste unter den Thieropfern war das Pferdeopfer , denn von allen Thieren war dem deutschen Heiden keins werther, galt ihm keins für edler und heiliger als das Pferd, das von fast allen Göttern gerittene, des Helden treuester Gefährte in Kampf und Schlacht. Vor der Einführung des Christenthums war der Genuss des Pferdefleisches allgemein verbreitet, die Bekehrer erst schafften denselben als heidnischen Gebrauch ab. Daher der schon frühe vorkommende Schimpfname Pferdefresser für Heiden, der noch heute in Belgien auf Zauberer angewandt wird, wie man denn auch den Hexen den Genuss des Pferdefleisches zur Last legt. Der Gottheit wurde das Haupt des Rosses geweiht und zwar befestigte man dasselbe auf Stämmen von Bäumen heiliger Wälder. So opferten die Deutschen nachdem sie den Varus besiegt hatten, die in der Schlacht erbeuteten Rosse, deren Köpfe später Caecina fand, als er sich der Wahlstatt nahte. 12 Nächst diesem war das Opfer von Rindern das bedeutendste, wie z. B. im Norden nach feierlichem Zweikampf der Sieger einen Stier mit den Waffen opferte, mit denen er den Gegner erlegt hatte. Eber und Ferkel bluteten wahrscheinlich dem Fro, andern Gottheiten Widder
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