Die deutsche Peitsche
sie nicht nur ihre eigene Rechtschaffenheit und den guten Ruf ihres Klosters, sondern auch Gott selbst. Sie wich von der Tür zurück, als lautes Stöhnen dahinter erklang, und ein Beobachter hätte angenommen, die junge Nonne wähne den Teufel selbst dahinter. Abrupt drehte sie sich um und eilte davon. Auf dem Weg zu den Ställen überlegte sie fieberhaft, wie sie die Äbtissin davon würde überzeugen können, ihre Aufgaben hier zu beenden und wieder in das Kloster zurückzukehren.
Bei den Reitställen angelangt, beauftragte sie einen Diener, ihr eine Kutsche bereitzumachen und sie in das Kloster zu fahren. Auf der einstündigen Fahrt schenkte sie der sommerlichen Landschaft keinen Blick und war weiterhin in Gedanken versunken. Direkt nach der Ankunft im Kloster bat sie um eine Audienz bei der Äbtissin, doch die Klostervorsteherin befand sich in strenger Klausur. Heloïse verbrachte die Wartezeit mit intensivem Gebet in der Klosterkapelle, denn - bei Gott - sie konnte nun geistlichen Trost gut gebrauchen. Am frühen Abend endlich empfing die Äbtissin sie. Heloïse berichtete übersprudelnd von dem Erlebten, sparte dabei mit den frivolen Details, jedoch nicht mit der Ausschmückung ihres Abscheus vor Herzog Honoré de Ravfleur und endete mit der eindringlichen und flehentlichen Bitte, sie von ihren Aufgaben am Hof des Herzogs zu befreien.
Die junge Nonne vermeinte ein Schmunzeln um die Mundwinkel der Äbtissin zu vernehmen, bevor diese sich abwandte und mit gesenktem Kopf nachdachte. Dann drehte sie sich um und schaute mit einer Mischung aus Verständnis und Mitleid auf Heloïse herab.
»Ach, Heloïse«, seufzte sie. »Ich verstehe sehr gut, dass Ihr von dem Geschehen am Hof des Herzogs verstört und verängstigt seid. Aber Ihr müsst begreifen, dass dort draußen in der Welt nicht alles so verläuft wie bei uns im Kloster.«
Die junge Nonne blickte erstaunt. Hatte die ehrwürdige Äbtissin ihren Bericht nicht vernommen? »Aber Mutter«, keuchte sie. »Es war die Nichte des Herzogs und er … er …«, stammelte sie.
Die Äbtissin nickte und unterbrach sie scharf. »Kind, ich habe Ohren. Und vermutlich weitaus mehr Lebenserfahrung als Ihr.« Heloïse senkte beschämt den Blick. »Natürlich Mutter. Verzeiht, Mutter«, hauchte sie schuldbewusst.
»Kind, versucht es doch von einer Warte zu betrachten, die es einfacher macht. Errichtet eine Mauer im Geiste und akzeptiert, dass die Welt draußen anderen Regeln folgt. Ihr werdet erst dann gegen die Listen des Teufels gewappnet sein, wenn Ihr Erlebnisse wie diese gar nicht an Euren Geist heranlasst, sondern es gleichgültig und gelassen an Euch abperlt, fest in Eurem Glauben.«
Heloïse neigte den Kopf schräg, als sie über diesen Vorschlag nachdachte und nickte. Dann regte sich jedoch Widerstand in ihr und beinahe nörgelnd flüsterte sie »Es ist dennoch nicht richtig. Er darf seine Nichte nicht derart … behandeln.«
Die Äbtissin griff sich an die Stirn, als leide sie unter Kopfschmerzen. »Kind«, sagte sie und lächelte dann. »Ihr werdet eine hervorragende Missionarin werden, wenn Ihr so weitermacht.« Nach einer kurzen Pause ergänzte sie »Daher wird es auch weise sein, wenn Ihr den Herzog an die Front auf das Schlachtfeld begleitet.«
Heloïse runzelte die Stirn. »Aber Mutter, warum kann ich nicht hier meine Studien fortsetzen? Ich möchte diesem … Herzog nicht dienen.«
»Erstens benötigt Ihr dringend mehr Lebenserfahrung. Das Kloster würde Euch hingegen vor diesen Erfahrungen isolieren. Es gibt nun einmal Zeiten, in denen wir Orte aufsuchen müssen, an denen wir es sehr schwer haben. Aber Gott weiß, es sind die richtigen Orte, denn nur dort können wir lernen und mehr werden, als wir sind.«
Die junge Nonne seufzte innerlich, warum es ausgerechnet dieser Ort um den Herzog sein musste, zu dem Gott und die Äbtissin sie schickte. »Und was ist zweitens?«, fragte sie forsch mit dem Mut der Verzweiflung.
»Zweitens kann der Herzog in der Tat Eure besonderen, mutigen, missionarischen Fähigkeiten gebrauchen, allein um daran erinnert zu werden, dass er das Wort Gottes zu verbreiten und unser christliches Reich um jeden Preis gegen die Ungläubigen zu verteidigen hat. Wenn Ihr glaubt, der Herzog sei ein Satyr, dann möchtet Ihr nicht erfahren, was ich über die Sitten der Türken weiß«, erklärte die Äbtissin und Heloïse erbleichte.
»Sie sind noch schlimmer als der Herzog?«, fragte sie und konnte ihre Neugier vor dem Schrecklichen nicht
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