Die Deutschen
dafür, daß die Kunde von dem Massenstreik auch an die Front, in die Schützengräben dringt und dort einen mächtigen Widerhall findet, daß die Urlauber überall mit den Arbeitern gemeinsame Sache machen, die Streikversammlungen besuchen und an Straßenaktionen teilnehmen. … Auf zum Massenstreik! …
Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.
Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung! Frieden! Freiheit! Brot!
Am 28. Januar 1918 treten etwa 400000 Arbeiter und Arbeiterinnen in den Streik. Sie wählen in Belegschaftsversammlungen Delegierte, die am Nachmittag im Berliner Gewerkschaftshaus zusammentreten und einstimmig als Ziele des Streikes proklamieren:
»1. Schleunige Herbeiführung des Friedens ohne Annexion, ohne Kriegsentschädigung, auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völker entsprechend den Ausführungsbestimmungen, die dafür von den russischen Volksbeauftragten in Brest-Litowsk formuliert wurden.
2. Zuziehung von Arbeitervertretern aller Länder zu den Friedensverhandlungen.
3. Ausgiebige Nahrungsversorgung durch Erfassung der Lebensmittelbestände in den Produktionsbetrieben wie in den Handelslagern zwecks gleichmäßiger Zuführung an alle Bevölkerungskreise.
4. Der Belagerungszustand ist sofort aufzuheben. Das Vereinsrechttritt vollständig wieder in Kraft, ebenso das Recht der freien Meinungsäußerung in der Presse und in Versammlungen. Die Schutzgesetze für Arbeiterinnen und Jugendliche sind schleunigst wieder in Kraft zu setzen. Alle Eingriffe der Militärverwaltung in die gewerkschaftliche Tätigkeit sind rückgängig zu machen und neue zu verhindern.
5. Die Militarisierung der Betriebe ist gleichfalls aufzuheben.
6. Alle wegen politischer Handlungen Verurteilte und Verhaftete sind sofort freizulassen.
7. Durchgreifende Demokratisierung der gesamten Staatseinrichtungen in Deutschland, und zwar zunächst die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle Männer und Frauen im Alter von mehr als 20 Jahren für den preußischen Landtag.«
An die Spitze des Streiks tritt ein Aktionsausschuß aus zehn Arbeitern und einer Arbeiterin. Vorsitzender wird Richard Müller. Die erste Versammlung der Berliner Arbeiterräte beschließt, zu dem gewählten Aktionsausschuß drei Vertreter der uspd hinzuzuziehen. Ein sozialdemokratischer Gewerkschaftsangestellter beantragt, drei Mitglieder des Parteivorstandes der spd aufzufordern, in den Aktionsausschuß einzutreten. Die Arbeiterräte lehnen diesen Antrag zweimal ab. Dann greift ihn Richard Müller nochmals auf, und er wird schließlich angenommen. Als Vertreter der uspd erscheinen die Abgeordneten Haase, Ledebour und Dittmann; die spd delegiert ihre Vorstandsmitglieder Ebert, Scheidemann und Braun.
Über ihre Tätigkeit berichteten die SPD-Führer 1925 in einem Prozeß in Magdeburg gegen mehrere Redakteure, die Ebert vorgeworfen hatten, er habe durch die Teilnahme am Januarstreik Landesverrat geübt.
Friedrich Ebert sagte aus: »Ich bin mit der bestimmten Absicht in die Streikleitung eingetreten, den Streik zum schnellsten Abschluß zu bringen und eine Schädigung des Landes zu verhüten … Ich kann auf das bestimmteste erklären, daß die Leitung der Sozialdemokratischen Partei in Fragen der Munitionsarbeiterstreiks in ihrem Innern den Standpunkt gehabt hat, den sie äußerlich vertreten hat, daß sie diese Streiks also verurteilt hat.«
Philipp Scheidemanns Aussage lautete: »Wenn wir nicht in das Streikkomitee hineingegangen wären, dann würde wahrscheinlich das Gericht heute nicht tagen können, und dann wäre der Krieg und alles andere meiner festen Überzeugung nach schon im Januar erledigt gewesen. Die Arbeiter hätten sich nicht, ohne sich zu wehren, niederschießen lassen. Es wäre ein tolles Tohuwabohu eingetreten. Andererseits bestand die Gefahr des totalen Zusammenbruchs und des Eintritts russischer Zustände. Durch unser Wirken wurde der Streik bald beendet und alles in geregelte Bahnen gelenkt.« Am 29. Januar erhöht sich die Zahl der Streikenden auf eine halbe Million.
Das Oberkommando in den Marken verbietet alle Streikversammlungen und die Bildung von Streikkomitees. Mit einem riesigen Polizeieinsatz unter Hinzuziehung von 5000 Unteroffizieren sollen die Streikenden eingeschüchtert werden. Der Oberbefehlshaber in den Marken erläßt zwei Verfügungen, die den Widerstand der Streikenden endgültig brechen
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