Die Deutschen
Betrieben und Ortschaften in Mitteldeutschland entwickeln sich Streiks und bewaffnete Kämpfe, bei denen 145 Arbeiter getötet und etwa 6000 verhaftet werden. Der Aufstand mitteldeutscher Arbeiter bleibt isoliert.
1921–1923 Militärisch formierte legale und illegale Organisationen werden neben der Reichswehr als sogenannte »Schwarze Reichswehr« geführt und mit Geld, Waffen und Stellung von Ausbildern unterstützt. Die »Schwarze Reichswehr«« wird vor allem in Grenzkämpfen und bei Aufständen eingesetzt.
Der Aufstand in Mitteldeutschland. März 1921
Max Hoelz, Sohn eines Ackerknechtes, selbst ein Ackerknecht und Proletarier, der »sich vom christlichen Jüngling zum klassenbewußten Revolutionär« entwickelte, wurde nach dem Dienst im Ersten Weltkrieg Revolutionär aus Beruf und Leidenschaft, der fürs erste ohne Kontakt mit einer politischen Partei tätig war, bis er sich den Kommunisten anschloß. In den Kämpfen in Mitteldeutschland wurde er unter den Arbeitern fast zu einem Idol. Nach dem Zusammenbruch der revolutionären Bewegung wurde er verhaftet, zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt und nach acht Jahren amnestiert. Später »verscholl« er im Rußland des Genossen Stalin. Er berichtet:
»Der Aufstand der mitteldeutschen Arbeiter im März 1921 war die unmittelbare Folge der Provokation Hörsings« – sozialdemokratischer Oberpräsident der Provinz Sachsen –, »der nach dem Prinzip handelte: ›Der Angriff ist die beste Parade.‹ Er wußte, daß die mitteldeutsche Arbeiterschaft ihren revolutionären Elan nicht eingebüßt hatte und daß die gärende Unruhe bald zu Entladungen führen mußte. Deshalb kam er zuvor, schickte – angeblich, um Werkdiebstähle zu verhindern – seine bis an die Zähne bewaffneten Sipos« – Sicherheitspolizisten- »in die mitteldeutschen Betriebe und Bergwerke. Hörsing provozierte die unterernährten und ausgemergelten Arbeiter dadurch, daß er ihnen zumutete, unter Aufsicht von Polizisten zu arbeiten.
Am Montag, dem 21. März, erfuhr ich aus einem Berliner Abendblatt von dem Ausbruch des Generalstreiks in Mitteldeutschland. Mein Entschluß stand sofort fest: ich wollte erst informatorisch die Entwicklung der Dinge dort beobachten und mich dann den Organisationen zur Verfügung stellen.
Knapp zwei Stunden später bestieg ich mit noch fünf anderen Genossen den D-Zug, der uns nach dem Streikgebiet bringen sollte. Da der Preis meines Kopfes an diesem Tage bereits 55000 Mark betrug, war ich bemüht, möglichst unerkannt in ein Abteil zu gelangen. Erst im Augenblick der Abfahrt des Zuges betrat ich den Bahnsteig und verschwand in einem Kupee. Während der Fahrt merkte ich, daß sich im Abteil zwei Offiziere a. D. befanden, die ich als Zeitfreiwillige und Agenten der Abteilung I. A. erkannte. Sie unterhielten sich im Flüsterton über die Vorgänge in Mitteldeutschland. In Kloster-Mansfeld hielt der Zug plötzlich ganz unfahrplanmäßig. Ein Beamter erklärte, die Maschine müßte Wasser nehmen. Die Gelegenheit war zu günstig, ich gab dem Genossen, der mit mir im Kupee saß, einen Wink, und wir verließen unauffällig den Bahnhof. Beim Verlassen der kleinen Station bemerkte ich drei dunkle Gestalten – es war ein Uhr nachts –, die sich sofort an unsere Fersen hefteten. Mein erster Gedanke war: Aus dem Regen in die Traufe. Die Drei entpuppten sich jedoch als Streikposten, die in uns Streikbrecher oder Spitzel vermuteten. Nachdem wir gegenseitig unsere Harmlosigkeit erkannt hatten, wanderten wir gemeinsam nach dem Streiklokal in Kloster-Mansfeld. Ich sagte den Genossen zunächst nicht meinen Namen. Unerkannt wollte ich in aller Ruhe erst die Dinge beobachten, um Zweck und Ziel der durch den Generalstreik ausgelösten Bewegung zu erforschen. Hierbei kam mir zu Hilfe, daß ich im Sommer 1919, während meiner illegalen Tätigkeit im Mansfeldschen Gebiet und auch in Kloster-Mansfeld, unter dem Pseudonym Sturm Versammlungen abgehalten hatte. Den Hoelz kannten die Genossen nur dem Namen nach.
Bei unserer Ankunft im Orte – der Bahnhof befindet sich weit außerhalb – hielt der Aktionsausschuß eine Nachtsitzung ab. Mein Begleiter wies sich als Genosse aus und stellte mich als politischen Flüchtling vor. Wir nahmen an der Sitzung teil. Von Waffen oder von der Vorbereitung einer bewaffneten Aktion war nicht das mindeste zu merken. Die Arbeiter waren der Ansicht, daß ein Generalstreik Hörsing zwingen würde, seine bewaffneten Aufseher aus dem Mansfelder Kreis
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