Die Deutschen
daß die Rebellenregierung Kapp-Lüttwitz freiwillig zurücktreten möge, um einen Sturz durch das Volk und den weiteren Generalstreik zu vermeiden, was nur den »Bolschewismus« stärken würde.
Flugblatt an die Streikenden und Kämpfenden:
»Die Reichsregierung (Kapp-Lüttwitz) gibt bekannt: Mit der früheren Regierung Ebert-Noske ist auf deren Wunsch in Verhandlungen eingetreten worden. Allgemeine Grundlagen: Es wird ein Kabinett aus Fachministern gebildet unter Hinzuziehung der Fachminister der alten Regierung. Es finden binnen zweier Monate Neuwahlen zum Reichstag und zur Preußischen Landesversammlung statt. Im Anschluß daran findet auch die Neuwahl des Reichspräsidenten durch das Volk statt. Der bisherige Präsident wird gebeten, bis zur erfolgten Wahl die Präsidentschaft weiter zu bekleiden … Die neue und alte Regierung erlassen gemeinsam eine Erklärung, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen der Generalstreik ein Verbrechen am deutschen Volk ist. Bis zur Entscheidung über diese Vorschläge hat der Reichskanzler von der Bildung eines neuen Ministeriums abgesehen und die dienstältesten Unterstaatssekretäre mit der Führung der Geschäfte beauftragt. Die Reichskanzlei.«
Der Hauptunterhändler, der Mann, der Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermorden ließ: Hauptmann Pabst. Da sich, auch in den Augen der Putschisten, Dr. Kapp als Versager erwiesen hat, haben sie nichts dagegen, daß er zunächst einmal abgeschoben wird. Es geschieht mit Hilfe eines Taxis, in dem der »Reichskanzler« mit einem Bündel Akten und der weinenden Tochter verschwindet. Man fährt ihn zum Flughafen Tempelhof, wo ihn ein Flugzeug erwartet, das ihn nach Schweden bringt.
Ludendorff gibt militärische Durchhalteparolen aus, aber die Offiziere erkennen, daß sie auf anderem Wege besser zum Ziel kommen können, und beschließen, daß General von Lüttwitz sein Kommando niederzulegen habe. Nach einigem Toben bleibt ihm nichts anderes übrig. Auch Hauptmann Pabst setzt sich mit falschem Paß ab. Und Kapitän Ehrhardt mit seiner Brigade? Der Reichswehrchef von Seeckt spricht sich nach einer Unterredung mit ihm in einem Tagesbefehl vom 18. März lobend über die Disziplin der Brigade aus, erkennt an, daß sie in dem Glauben gehandelt habe, »vaterländischen Interessen zu dienen«, und sichert Ehrhardt Schutz vor Verhaftung zu, solange die Brigade ihm unterstehe.
Und die Brigade zieht mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen genauso ab, wie sie einmarschiert war. Nur: es kommt zu Mißfallenskundgebungen der Bevölkerung, worauf die Putschbrigade von der Schußwaffe Gebrauch macht und 12 Tote und 30 Schwerverletzte zurückläßt.
Der Kapp-Putsch ist beendet.
Chronik 1920–1921
Der Aufstand in Mitteldeutschland. März 1921
1920 17. März: Die Rote Ruhrarmee greift Dortmund, Hamm, Bochum und Ahlen an. Neue Kämpfe auch in anderen Städten Deutschlands und in Thüringen.
20. März: Die Reichsregierung kehrt nach Berlin zurück. Die Regierungsparteien schließen mit den Gewerkschaften ein Achtpunkteabkommen, in dem sie u. a. zusichern: Bestrafung der Putschisten, Auflösung aller konterrevolutionären militärischen Formationen und Gewährung größerer politischer und sozialer Rechte an die Gewerkschaften.
Die Abwehrkämpfe in großen Teilen des Reiches werden jedoch nicht eingestellt.
24. März: Zwischen Regierungsvertretern und Vertretern der Vollzugsausschüsse des Ruhrgebietes wird in Bielefeld ein Abkommen über den Abbruch des Generalstreiks geschlossen und ein sofortiger Waffenstillstand vereinbart. Den Arbeitern wird zugesichert, daß die Reichswehr nicht in das Industriegebiet einmarschiert.
2. April: Unter Bruch des Bielefelder Abkommens marschiert die Reichswehr unter General Watter in das Ruhrgebiet ein. Blutiger Terror in Duisburg, Recklinghausen, Oberhausen, Mülheim, Dortmund und anderen Städten.
9. Mai: In München wird die Organisation Escherich (Orgesch) als Auffangorganisation für die in Bayern vom Verbot bedrohten konterrevolutionären Einwohnerwehren gegründet. In Preußen und Sachsen sind diese Organisationen bereits verboten.
28. August–4. September: Gegen die Schließung von Betrieben, gegen Teuerung und Abbau der Reallöhne wird in Stuttgart und anderen württembergischen Städten ein Generalstreik durchgeführt.
23.– 27. November: Lohnstreik von 40000 niederschlesischen Metallarbeitern.
1921/ 21. März–1. April: Aus Protest gegen polizeiliche und militärische Besetzung von
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