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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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    Im Laufe des Tages sprach ich in Versammlungen in Hettstedt, Mansfeld und Eisleben, wo über die zu ergreifenden Maßnahmen Beschlüsse gefaßt wurden …
    In allen Kundgebungen zeigte sich Entschlossenheit und Einmütigkeit der Arbeiter; ohne Unterschied der Parteirichtungen – es waren uspd-, kpd-, kapd- und aau -Arbeiter anwesend – beschlossen sie, sich die frechen Provokationen Hörsings nicht gefallen zu lassen und im Generalstreik zu bleiben. Die spd- und uspd -Arbeiter wußten nicht, daß verräterische Führer bei einer Zusammenkunft in Eisleben, zu der sie von den Behörden geladen worden waren, sich selbst für die Herbeiziehung der Grünen ausgesprochen hatten. Diese »klassischen« Arbeitervertreter hatten es jedoch wohlweislich abgelehnt, ihre Namen unter den von Hörsing verfaßten Aufruf zu setzen. Für sechs Uhr abends war eine größere Versammlung in Eisleben angesetzt, zugleich für die umliegenden Ortschaften und Schächte. Zehn Minuten vor sechs Uhr befand ich mich noch weit außerhalb Eislebens. Es machte mir Kopfzerbrechen, wie ich ungehindert in die Stadt gelangen könnte, denn Eisleben war besonders stark von Sipo besetzt. Vier Hundertschaften lagen dort, mit allen modernen Waffen ausgerüstet. Nach meinem Auftreten in Hettstedt und
    Mansfeld war mit Sicherheit damit zu rechnen, daß die Sipo in Eisleben alles aufbieten werde, um mich unschädlich zu machen. Nicht nur wegen der ausgesetzten 55000 Mark, sondern vor allem, um durch meine Festnahme oder Beseitigung zu verhindern, daß ich die Bewegung vorwärts treibe.
    Während meines Referats in Kloster-Mansfeld wurde gemeldet, daß in verschiedenen Gruben mehrere nichtorganisierte Arbeiter infolge der Drohungen der Werksleitungen weiterarbeiteten.
    Im Anschluß an die Versammlung fuhr ich mit einer Anzahl Mansfelder Genossen nach einigen umliegenden Schächten, um die wenigen Streikbrecher zu veranlassen, sich dem Generalstreik anzuschließen.
    Gegen sechs Uhr verließ ich die Schachtanlagen und fuhr in Begleitung des Genossen Richard Loose nach Eisleben. Einige hundert Meter vor der Stadt kam uns eine etwa 30 Mann starke Sipo-Radfahrerpatrouille entgegen. Die Werksleitungen der umliegenden Schächte hatten die Hilfe der Grünen gegen die Streikenden erbeten.
    Im ersten Augenblick war ich bestürzt. Mir konnte es nicht gleichgültig sein, fünf Minuten vor einer größeren Versammlung, in der ich als Redner sprechen sollte, verhaftet zu werden. Ich wollte rasch kehrtmachen und versuchen, auf einem anderen Wege nach Eisleben zu gelangen. Mein Begleiter machte mich auf das Zwecklose meines Entschlusses aufmerksam. Durch das plötzliche Umkehren würden wir uns verdächtig machen und von der Sipo beschossen werden. Zu langem Überlegen war keine Zeit, es galt rasch zu handeln, entweder kehrtzumachen oder frisch drauflos zu fahren. Ich entschloß mich für das letztere. Dreißig Meter vor den uns begegnenden Sipos bog ich mit meinem Rad scharf nach rechts und steuerte direkt auf den an der Spitze fahrenden Leutnant zu. Auf fünf Meter Entfernung rief ich: »Es ist höchste Zeit, daß Sie kommen, da vorne sieht es böse aus!« Er lächelte über diese Aufmunterung und radelte weiter.
    In solchen Augenblicken – sie waren in den nächsten Tagen an der Tagesordnung –, wo die Uhr immer fünf Minuten vor zwölf steht, setzte der Herzschlag sekundenlang aus; nachher hatte ich immer ein Empfinden, als sei ich frisch auf die Welt gekommen.
    Die Straße war bis ins Innere der Stadt mit einzelnen Streifpatrouillen geradezu übersät …
    Ich fuhr mit klopfendem Herzen an Dutzenden von Patrouillen vorüber. Unauffällig fragte ich ein paar Jungen, ob im Ort eine Versammlung stattfinde. Nach einigem kreuz und quer waren wir endlich am Ziel und wurden von tausenden von Arbeitern stürmisch begrüßt.
    In dieser Versammlung traf ich zum ersten Male Josef Schneider, der in den nächsten Tagen mit mir zusammenblieb … Trotz seines ungeheuren Körperumfangs war Schneider von einer erstaunlichen Beweglichkeit. Bei dem in den folgenden Tagen stattfindenden Kämpfen zeigte sich, daß er organisatorisch begabt war. Ich übertrug ihm die Verpflegung der Truppe sowie die Verwaltung der beschlagnahmten Gelder. Daneben leitete er noch den Pressedienst. Er verfaßte über die täglichen Kämpfe Berichte, die er an uns nahestehende Organisationen und Zeitungen sandte … Bei dem letzten Gefecht in Besenstedt rettete sich Schneider mit der Kasse in einem

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