Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
Vom Netzwerk:
unter nichtigen Vorwänden verhaftet. Zwei Mann waren auf der Straße niedergeschossen worden, ein Sechzehnjähriger und ein fünfzigjähriger Arbeiter. Dem jungen Menschen trat, als er röchelnd auf dem Boden lag, ein Offizier mit dem Stiefelabsatz ins Gesicht und schrie: ›Das Aas hat nichts anderes verdient!‹
    Ferner erfuhr ich, daß die Genossen Roth, Grünberg und Müller durch ihre Unvorsichtigkeit mit der Kriegskasse in Quedlinburg verhaftet worden waren. Ich hatte den drei Genossen ein Auto zur Verfügung gestellt und sie angewiesen, die beschlagnahmten Gelder außerhalb der Gefechtszone in Sicherheit zu bringen, und im Walde von Annarode auf uns zu warten. Sie machten aber unterwegs in einem Gasthaus Halt und kümmerten sich nicht um den uns feindlich gesinnten Chauffeur. Der telephonierte an die Kriminalpolizei nach Quedlinburg, ein Hoelzauto mit beschlagnahmten Geldern werde die Stadt passieren; er hatte durch ein Gespräch während der Fahrt das Ziel der Reise erfahren.
    Der Genosse Roth trug meinen Siegelring mit den Anfangsbuchstaben meines Namens und meine Taschenuhr bei sich. Deshalb und wegen einer angeblichen Ähnlichkeit mit mir wurde er als Hoelz verhaftet und sofort in Ketten gelegt. Die Frage, ob er der Hoelz sei, bejahte er. Schon am folgenden Tage gelang es Roth, trotz scharfer Bewachung aus dem Militärgefängnis zu entfliehen. Er hatte die beiden anderen Genossen aufgefordert, mit ihm zu entweichen. Sie lehnten aber ab, weil sie die Sache für zu gefährlich hielten.
    Genosse Grünberg unterstützte das Entkommen Karl Roths. Während des Herumlaufens im Kreise bei der sogenannten Freistunde markierte er einen epileptischen Anfall. Der Aufseher bemühte sich um ihn. Diesen Augenblick benutzte Roth, um über die Gefängnismauer zu fliehen. Für den Genossen Fritz Grünberg hatte diese Beihilfe zur Flucht noch ein böses Nachspiel. Es stellte sich bald heraus, daß er den Anfall nur markiert hatte. Er bekam die strengsten Hausstrafen und wurde im Dunkelarrest von den Aufsehern furchtbar mißhandelt. Die Mitgefangenen hörten tagelang seine verzweifelten Schreie und Hilferufe. Durch Dunkelarrest und Mißhandlungen in eine tiefe seelische Depression geraten, schnitt er sich mit einem Glasscherben die Pulsadern auf und schrieb mit seinem eigenen Blut einen Abschiedsbrief an seine Angehörigen. Noch ehe er verblutete, wurde seine Tat entdeckt.
    In der Nacht entsandte ich eine Gruppe mit einem Lastauto nach der Dynamitfabrik Leimbach und ließ dort zwanzig Zentner Sprengstoff requirieren, die wir zur Herstellung von Wurfbomben, die an Stelle der fehlenden Minenwerfer treten sollten, brauchten. Wir waren gezwungen, alle Mittel anzuwenden, um die Gegner zu schlagen. Die Bewaffnung unserer Truppe war in den ersten Kampftagen äußerst mangelhaft.
    Am Donnerstag, dem 24. März, kam es zu einem längeren Gefecht in Hettstedt. Um die einzelnen Siponester zu beunruhigen und zu verwirren, griff ich ganz überraschend einmal Eisleben, dann wieder Hettstedt an. Durch Verstärkungen, die aus den umliegenden Ortschaften eintrafen, war die Arbeitertruppe an Zahl gewachsen. Ich konnte vier Sturmkompanien von je hundert Mann und sechs Maschinengewehrabteilungen bilden.
    Der Gegner verfügte über gute und ausreichende Verbindungs- und Verständigungsmittel wie: Telephone, Funkstationen und Lichtsignale. Die Arbeitertruppen hatten nichts dergleichen. Ich mußte deshalb zu primitiveren Behelfen greifen. Die Frage der Verständigung und Verbindung zwischen den einzelnen Kompanien, Zügen, Gruppen und Maschinengewehrabteilungen war, zumal bei einem von verschiedenen Seiten vorzunehmenden Angriff, außerordentlich wichtig. Die zwanzig Mann starke Radfahrerabteilung, die mir zur Verfügung stand, war ein vorzügliches Verbindungsmittel für die Truppenbewegung auf der Landstraße, von Ort zu Ort, jedoch völlig ungeeignet und technisch unbrauchbar für Operationen in dem von Schachtanlagen durchfurchten Gelände des Aufstandsgebietes. Den einzelnen Abteilungen wurden unbewaffnete Arbeiter als Meldeläufer zugeteilt.
    Aus dem bunten Haufen hunderter von den umliegenden Schachtanlagen und Industriewerken herbeigeeilte Arbeiter war eine festgefügte, gut disziplinierte proletarische Sturmtruppe entstanden, nicht im Sinne des alten, wilhelminischen Kadavergehorsams, sondern im besten Sinne der freiwilligen proletarischen Selbstdisziplin.
    Ich habe bei allen Gefechten und Kämpfen nicht einen einzigen Fall von Zögern

Weitere Kostenlose Bücher