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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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ich Eisleben an allen Ecken anzünde.
    Tatsächlich habe ich nicht einen Augenblick geglaubt, daß auf meine Drohung Folte mit seinen Leuten abziehen werde. Wohl aber durfte ich mit fast absoluter Sicherheit annehmen, die Sipo komme aus ihrem schützenden Bau heraus, um die angedrohten Brandlegungen zu verhindern. In diesem Falle konnten wir der Sipo im offenen Straßenkampf besser beikommen und würden das Kampfziel ohne allzu große Opfer erreicht haben.
    Um meiner Androhung den Nachdruck der Tat zu geben, legte ich pünktlich nach Ablauf der gestellten Frist eigenhändig Feuer an ein Gebäude. Dann begab ich mich mit acht Mann in das Stadtinnere und zertrümmerte eine Anzahl große Fensterscheiben, damit die entsetzten Spießer und ihr Bürgermeister von der Sipo energisch Schutz verlangten. Um Ausschreitungen zu verhindern, hatte ich dieses wenig angenehme Kommando selbst übernommen.
    Nach menschlicher Berechnung hätte die für Ruhe und Ordnung sorgende Sipo nun eingreifen müssen, da sie an Zahl und Kampfmitteln den kämpfenden Arbeitern weit überlegen war.
    In meiner famosen Spekulation fehlte aber der wesentliche Faktor: der mangelnde Mut der Schutzpolizisten. Obwohl die Behörden der Sipo sofort telefonisch von Brandlegungen, Zerstörungen und angeblichen Plünderungen Mitteilung machten und der Bürgermeister die Ordnungshüter flehentlich um Schutz seiner bedrohten Stadt bat, blieb die Polizei im sicheren Bau …
    Nachdem ich das Erfolglose meiner List eingesehen hatte, ließ ich den von mir gelegten Brand durch die Arbeitersoldaten löschen. Außer ein paar Gardinen und einer Bettdecke war nichts verbrannt …
    Im ersten Gefecht in Eisleben zeichnete sich besonders ein kleiner Berliner Genosse durch seine Tapferkeit aus; er bewies in allen Situationen großen Mut, so daß ich ihn zu meinem persönlichen Begleiter wählte. Im Scherz sagte ich einmal zu ihm, er dürfe sich ruhig Max Hoelz nennen, wenn er damit den Kapitalisten Schreck einjage.
    Er machte leider einen zu reichlichen Gebrauch von meinem nicht ernst gemeinten Angebot. Daß er sich bei der Sprengung der Villa des Generaloberarztes Evers (wie dieser vor Gericht bekundete) als Max Hoelz ausgab, war weiter nicht tragisch. Unangenehmer war schon, daß er bei einem zweiten Gefecht in Eisleben während der Kämpfe einen Abstecher in ein Bordell machte und sich dort unter meinem Namen eine halbe Stunde lang amüsierte …
    Vor dem Gefecht mit dem Panzerzug in Sangerhausen versuchte ich, die noch vorhandenen Kontributionsgelder nach Berlin abzuschieben. Wenn der Kampf zu unseren Ungunsten ausging, sollte nicht die Reichswehr das Geld erwischen. Ich übergab dem kleinen Berliner eine Reisetasche mit mehreren hunderttausend Mark für die kapd in Berlin.
    Er ging zu Fuß nach einer entfernten Bahnstation, kehrte unterwegs in einem Gasthaus ein, bestellte dort einen Wagen und sagte, er müsse sofort zur Bahn. Er sei Kurier von Max Hoelz und müsse dringend Geld nach Berlin bringen, damit dort die Flugblätter gedruckt werden könnten. Fünf Minuten später war er schon durch die Gendarmerie verhaftet …
    Außer der kleinen Bordellaffäre, die sich der Berliner in Eisleben leistete, ist mir kein anderer Fall bekanntgeworden, wo während der Kämpfe Rotgardisten oder Genossen sich mit sexuellen Dingen befaßten. Bei keiner der Truppen, die unter meiner Leitung kämpften – weder im Vogtland noch in Mitteldeutschland – befanden sich Frauen. Als während des mitteldeutschen Aufstandes, nach dem zweiten Gefecht in Eisleben, eine Arbeiter-Samariter-Kolonne auftauchte, die unter der Leitung einer in Männerkleidung auftretenden Hallenser Genossin stand, waren die Rotgardisten von dieser Erscheinung nicht erbaut. Ich hatte den Eindruck, daß die Rotgardisten – auch bei mir war das der Fall – Frauen während der Kämpfe nicht gern um sich sahen. Sie befürchteten vielleicht, durch sie von ihrer Aufgabe abgelenkt zu werden.
    Erfreulich war auch, daß, soweit ich beobachten konnte – außer in einem einzigen Fall – während der ganzen Kämpfe kein Rotgardist das Alkoholverbot übertrat. Das Verlangen nach Alkohol war bei keinem von uns sehr stark, obwohl es an Gelegenheiten zum Trinken nicht fehlte.
    Nach Einbruch der Dunkelheit zog ich die Arbeitergruppen zusammen und bezog Quartier in Helbra. Dort erwarteten mich schlechte Nachrichten. Die Sipo hatte in Hettstedt den Aktionsausschuß überfallen, Bücher und Schriftstücke beschlagnahmt und Arbeiter

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