Die Deutschen
Ahnung von den Zwangsläufigkeiten und Notwendigkeiten während des Bürgerkrieges gehabt hätten, in dem die kämpfenden Arbeiter infolge ihrer mangelhaften Ausrüstung gegenüber dem mit Großkampfmitteln reichlich versorgten Gegner immer im Nachteil sind. In Hettstedt wäre es unmöglich gewesen, ohne Verluste auf unserer Seite vorzustoßen, wenn ich die Häuser nicht zerstört hätte. Die Sprengung eines Gebäudes verursacht eine große Staubwolke, die sich oft eine halbe Stunde und noch länger in der Luft hält. Unter dem Schutze einer solchen riesigen Staubwolke war es für uns viel leichter, im Straßenkampf vorzugehen, da der Gegner nichts sehen konnte. Durch diese Sprengungen rettete ich vielen Arbeitern das Leben. Nach der letzten Sprengung hatten sich die Grünen in der Schule verbarrikadiert. Alle Posten und Patrouillen waren von den Straßen verschwunden. Durch ein paar Gefangene, die wir machten, und durch unsere ausgesandten Radfahrerpatrouillen erfuhr ich, daß aus der Richtung Sandersleben Artillerie zur Verstärkung für die Sipo schon im Anmarsch war. Es ging bereits auf vier Uhr früh. Unsere Genossen waren abgekämpft und brauchten dringend ein paar Stunden Ruhe.
Ich leitete die Truppen nach Helbra in die Quartiere zurück. Ausschlaggebend für diesen Entschluß war vor allem das unbedingte Festhalten an meiner vom Anfang an geübten Taktik, der allein zuzuschreiben ist, daß es den uns an Zahl und Kampfmitteln weit überlegenen Gegner erst nach zehn Tagen gelang, meine Truppe aufzureiben. Die Taktik bestand in folgendem:
1. durfte der Gegner aus meinen Handlungen und Maßnahmen niemals Schlüsse ziehen können auf meine weiteren Handlungen,
2. durfte ich, solange mir keine größere Truppenmacht und vor allem keine Reserven zur Verfügung standen, unter keinen Umständen länger als höchstens vierundzwanzig Stunden an einem Ort verweilen.
Diese Taktik habe ich konsequent durchgeführt, mit dem Erfolg, daß stets wenn der Gegner mich eingekreist zu haben glaubte, meine Truppen die Gefahrzone längst verlassen hatten und er, wie in den Fällen Wimmelburg, Eisleben und Hettstedt, sein Artillerie- und Minenfeuer auf ein leeres Nest verschwendete.
Wie sehr mein Vorgehen dem Gegner immer neue Rätsel aufgab, beweist die Aussage des Sipomajors Folte vor dem Sondergericht in Moabit. Als ihn der Vorsitzende fragte, ob es denn der zahlenmäßig weit überlegenen Sipo nicht möglich gewesen sei, die roten Banden einzukreisen und zu schlagen, antwortete er wörtlich: ›Es war schwer, an Hoelz heranzukommen, wir hatten schon vorher gehört, daß Hoelz ein gewiegter Kerl sei.‹
Am Freitag, dem 25. März, kam es zu einem zweiten Gefecht in Eisleben. Durch einen bei einbrechender Dunkelheit unternommenen Angriff gelang es der Arbeitergruppe, bis auf den Marktplatz der Stadt vorzustoßen und das Rathaus zu besetzen. Dabei wurde die Villa des kaiserlichen Generaloberarztes der Marine Dr. Evers gesprengt. Er hatte in seinem Haus Orgeschwaffen und Munition in großen Mengen.
Die durch den unerwarteten Überfall überraschten Grünen belegten Rathaus und Marktplatz mit starkem Minenfeuer. Wir hatten bereits acht Verwundete und konnten uns infolge des starken Feuers in der Stadt nicht länger halten. Dazu erhielt ich von unseren ausgesandten Kundschaftern Meldungen, die mich veranlaßten, meine Truppen schnellstens aus dem Ort herauszuziehen. In Wimmelburg wurde kurze Rast gemacht. Hier traf ich größere und kleinere Trupps von revolutionären Arbeitern, die aus allen Richtungen kamen und sich uns anschlossen. Die zahlenmäßige Stärke der kleinen Armee war an diesem Tage über zweitausendfünfhundert. Ich erfuhr durch die von Halle und anderen Orten kommenden Arbeiter zum erstenmal etwas Genaueres über die Lage und die Vorgänge im Merseburger Gebiet. Daraufhin versuchte ich, möglichst rasch aus dem sich immer enger um uns schließenden Sipo- und Reichswehrgürtel herauszukommen und die Truppe mit den bewaffneten Arbeitern in Teutschenthal und im Leunawerk zu vereinigen.
Es war die allerhöchste Zeit, den Hexenkessel Wimmelburg zu verlassen. Ein paar Stunden nach unserem Abmarsch unternahmen Sipo und Reichswehr einen konzentrischen Angriff auf Wimmelburg und ließen dort in wilhelminisch ritterlicher Weise ihre Wut an unbeteiligten und unbewaffneten Arbeitern aus. Noch nach vier Wochen wurden tote Arbeiter in den Schlackenhaufen der umliegenden Schachtanlagen gefunden, von Sipo- und Reichswehr
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