Die Deutschen
die Bewegung auf einen Aufruhr: die Wohnungen der fürstlichen Beamten werden geplündert und die Akten und Steuerregister verbrannt.
In Bayern macht sich der Gegensatz zwischen dem selbstherrlichen König Ludwig i. und dem liberalen Bürgertum in den Münchner Studentenunruhen zu Weihnachten 1830 Luft. Was zuerst nur ein studentischer Scherz zu sein scheint, wird bald zu einem politischen Ereignis, in dem bewaffnete Polizei, verstärkt durch Militär, interveniert. Es kommt zur Schließung der Universität. Der König besteht auf der Aufdeckung einer Verschwörung, die es gar nicht gibt. »An dem gesunden Sinn der ehrlichen derben Bayern ist die Bewegung vollkommen gescheitert«, so schreibt Boisserée an Goethe. In Wirklichkeit entzündet sich ein kämpferischer Liberalismus, und zahlreiche Bürger in Würzburg, Bamberg und Kempten schicken ihre Petitionen an den König, bezeichnen seinen Zenzurerlaß und den Ausschluß oppositioneller Abgeordneter als Verfassungsverletzung und fordern die Kammer auf, den schuldigen Minister zur Rechenschaft zu ziehen. Zu weiteren Aktionen kommt es in Bayern nicht mehr.
Auch in Württemberg kommt man über die Krise des Jahres 1830 leicht hinweg. Der Landtag, im Januar versammelt, hat den Staatshaushalt für die dreijährige Etatsperiode festgelegt und die Mittel dafür bewilligt. Da die Verfassung eine Berufung der Stände nur in einem Zeitraum von drei Jahren vorsah, fehlt es an der politischen Führung. So läuft einstweilen alles im alten Geleise weiter. In Baden beherrschen Männer wie Itzstein, Rotteck, Welcker und andere, die durch Sachkenntnis, Charakter und Beredsamkeit ausgezeichnet sind, die Kammer und wecken im Volk die Teilnahme am politischen Leben; gleichzeitig entwickeln sie Theorie und Leitsätze des Liberalismus. Der Abgeordnete Welcker stellt den Antrag, die Regierung möge sich dafür verwenden, daß neben der Bundesversammlung eine deutsche Nationalrepräsentation errichtet wird. Die Regierung widersetzt sich schon der bloßen Erörterung dieses Antrages. Rotteck erklärt: »Der Antrag geht also an die Abteilungen des deutschen Volks, Berichterstatter wird die freie Presse sein, und das große Parlament der öffentlichen Meinung wird über ihn zu Gericht sitzen.« Diese Entwicklung wird mit Hilfe der Jugend vorangetrieben: die »unreifen Jünglinge«, welche der deutschen Burschenschaft ihre Statuten schufen, betrachten sich als »Werkzeuge der werdenden deutschen Einheit«.
Durch die französische Julirevolution erhalten alle diese Gedanken einen neuen und kräftigen Anstoß. Die deutschen Bundesregierungen, zusammengefaßt in der »falschen Einheit« des deutschen Bundestags, fühlen sich bedroht. Österreich und Preußen verständigen sich zu wirksamen Maßregeln gegen diese Drohung: Österreich stellt am 18. September 1830 beim Bundestag den Antrag, daß alle Regierungen verpflichtet sein sollen, jeder anderen bei drängender Gefahr militärische Hilfe zu leisten. Außerdem verbietet ein Bundesbeschluß das Sammeln von Unterschriften zu »Adressen politischen Inhalts« an den Bund; ein anderer verschärft die Beaufsichtigung der Presse: es folgt eine Reihe von Verboten liberalrevolutionärer Zeitungen.
Der Sturm, den die Julirevolution von 1830 in Paris entfesselt hat, scheint verebbt, aber die Entwicklungen, die sie angeregt hat, bleiben lebendig.
Chronik 1831–1837
Die hessische Verschwörung. 1834–1837
1831 4.–9. Januar: Im Königreich Hannover erreicht die Unzufriedenheit der Volksmassen ihren Höhepunkt mit der Errichtung einer Bürgerwehr in Osterode/Harz und der Bewaffnung der Studenten und Bürger in Göttingen. Es kommt zu revolutionären Unruhen, die militärisch niedergeworfen werden; doch die Oppositionsbewegung erzwingt die Entlassung der reaktionären Regierung, die Herabsetzung der Steuern und die Beseitigung der bäuerlichen Feudallasten.
17. April: Sächsisches Militär schlägt Unruhen in Dresden nieder und entwaffnet die Dresdner Bürgerwehr. Es folgt die Entwaffnung der Bürgerwehren im übrigen Königreich.
26. Mai: König Ludwig i. von Bayern wird durch die liberale Mehrheit des Landtages gezwungen, die reaktionäre Regierung zu entlassen und die verschärften Zensurbestimmungen aufzuheben.
1832 27. Mai: An dem »Hambacher Nationalfest« nehmen etwa 30000 Personen, vorwiegend aus Südwestdeutschland, teil. Es sind meist Intellektuelle, Kleinbürger, Gesellen und Bauern. Eine polnische und eine französische Delegation
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