Die Deutschen
zweite revolutionäre Bewegung: sowohl unter den gehobenen Schichten des oppositionellen Bürgertums als auch unter Bauern. Ein Bauernaufstand bricht aus. »Unter Trommelschlag«, so schreibt die Schwester Georg Büchners, »unter stetem Anschwellen ihrer Haufen, mit den Rufen Freiheit und Gleichheit zogen die Bauerntrupps von Ort zu Ort. In Büdingen zwangen sie den Grafen Isenburg, eine Strecke weit mit ihnen zu ziehen, von da wandten sie sich gegen Ortenberg, zerstörten in Nidda das Haus des Landrichters und breiteten sich dann in drei Richtungen nach der Wetterau, dem Vogelsberg und nach Butzbach hin aus. Das traurige Zwischenspiel fand dort ein Ende, während man in Darmstadt im Schlosse alles zur Flucht vorbereitete und selbst der Bundestag in Frankfurt gezittert hatte. Der Prinz Emil, ein Bruder des Großherzogs, wurde nach Oberhessen entsendet, und die Militärkolonnen sollten den Aufstand einschließen, als ein blutiges Zusammentreffen bei dem Dorfe Södel die Sache schnell beendigte, aber eine furchtbare Erbitterung zurückließ. Die Dragoner, die man von Butzbach berufen, hatten ohne weiteres, vor der gesetzlichen Aufforderung an die Leute, auseinanderzugehen, in das unbewaffnete Volk eingehauen und dabei Leute verletzt und getötet, die sich gerade bemühten, die Haufen durch vernünftiges Zureden zu zerstreuen!« Das »Blutbad von Södel« bleibt in der Erinnerung der Hessen lebendig.
Die Regierung erkennt die Gefahr, aber die Maßnahmen, die sie ergreift, sind nur mangelhaft. Der Regierungschef, Freiherr Du Thil, läßt beim Herannahen der aufständischen Bauern vom Großherzog die Anordnung des Belagerungszustandes und den Mobilmachungsbefehl unterschreiben. Nachdem der Aufstand unterdrückt ist, versucht Du Thil die Ursachen des Elends zu beseitigen. Aber die Maßnahmen sind lahm. Georg Büchner beschließt, einen neuen Aufstand zu entfachen.
Ein Freund Büchners gibt seine Gedanken mit folgenden Worten wieder: »Die Versuche, welche man bis jetzt gemacht hat, um die Verhältnisse Deutschlands umzustoßen, beruhen auf einer durchaus knabenhaften Berechnung, indem man, wenn es wirklich zu einem Kampf, auf den man sich doch gefaßt machen müßte, gekommen wäre, den deutschen Regierungen und ihren zahlreichen Armeen nichts hätte entgegen stellen können als eine Handvoll undisziplinierter Liberaler. Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art ausgeführt werden, so kann das bloß durch die große Masse des Volkes geschehen, durch deren Überzahl und Gewicht die Soldaten gleichsam erdrückt werden müssen. Es handelt sich also darum, diese große Masse zu gewinnen.« Die Studenten in Darmstadt und Gießen lehnen aber Büchners Plan ab, eine Parteiorganisation aus Studenten und Bürgern zu schaffen.
Büchner sammelt nun junge Studenten und ein paar Gießener Bürger – es sind nicht sehr viele, aber es ist der Ansatzpunkt einer Volksbewegung. Mit ihnen will er eine »festgefügte Partei« gründen, die nicht nur an die deutsche Entwicklung anknüpft, sondern auch die Lehren der französischen revolutionären Kämpfe verarbeitet. Er nennt sie: »Gesellschaft der Menschenrechte«.
Das Haupt der revolutionären Bewegung in Hessen ist der Pfarrer Weidig. Er stellt behutsam Verbindungen zwischen möglichen Koalitionspartnern her. Büchner dagegen will seine »exakt funktionierende« Partei mit einer Art Zentralkomitee an der Spitze. Weidig und Büchner sind im Grundsätzlichen wie in Fragen der Taktik vielfach verschiedener Meinung. Aber Weidig ist kein diktatorischer Typus, er will die strittigen Fragen durch die Mitglieder selbst lösen lassen. Die Abhaltung eines geheimen Kongresses ist ohnehin nötig, da Weidig von einer Rundreise nach Süd- und Südwestdeutschland zurückgekehrt ist, die er unternommen hat, um alte Verbindungen zu stärken, neue anzuknüpfen und »Nachrichten einzuholen«. Die Zusammenkunft soll dieser Berichterstattung dienen und gleichzeitig der Erörterung der politischen Streitfragen. Die Delegiertenkonferenz findet am 3. Juli 1834 auf der Badenburg statt. Weidig berichtet über seine Reise und teilt außerdem mit, daß die Gründung einer regelmäßigen Zeitschrift mit Frankfurt als Erscheinungsort beschlossen sei. Weiterhin erklärt er, daß die Verbindungen nach Baden und Württemberg wiederhergestellt und damit auch organisatorische Maßnahmen notwendig seien. Die Propaganda sei nach Bildung, Stand und Klasse zu differenzieren, und zu den Massen müsse man in
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