Die Deutschen
Audienz der Stadtverordneten und des Magistrats von Berlin beim König statt, der »kühn und bedächtig« auftritt und den Zusammentritt des Vereinigten Landtags verspricht. Am 15. werden leichte Barrikaden am Schloßplatz, in der Breiten- und in der Brüderstraße errichtet. Nach den Militärposten werden Steine geschleudert. »Natürlich« – berichtet von Oelrichs – »folgten bei diesen Gelegenheiten mehr oder minder schwere Verwundungen der Tumultanten.«
Der Innenminister von Bodelschwingh drängt den König, Reformen vorzunehmen, damit Unheil verhütet werde.
Das Polizeipräsidium berichtet der Regierung: »Das Gesindel wird weichen oder vernichtet.«
Am Donnerstag, 16. März, erläßt die Polizei eine Bekanntmachung, in welcher das Publikum vor der Teilnahme an Aufläufen gewarnt wird: Zusammenrottungen, welche die öffentliche Gewalt störten, würden auseinandergetrieben.
Nachmittags: Statuierung des Exempels. Unruhen Unter den Linden. Es ertönen die Rufe: »Fort mit dem Militär!« Der Offizier der Neuen Wache läßt die Trommel rühren. Gewehrfeuer. Zwei Tote und mehrere Verwundete. Aufschreiend und fluchend läuft das Volk auseinander.
Der Prinz von Preußen liest eine Depesche aus Wien: Revolution in der Hauptstadt Österreichs. Er sagt zum Minister des Auswärtigen: »Es bleibt nichts übrig, als sich an die Spitze der Bewegung zu stellen.« Und er befiehlt dem Kriegsminister: Zweieinhalb Silbergroschen Extralöhnung für jeden ausrückenden Soldaten. Der Gouverneur von Berlin erläßt ein Versammlungs- und Umzugsverbot; die Häuser müssen um 8 Uhr abends geschlossen werden; wer den Aufforderungen nicht Folge leistet oder Widerstand versucht, wird verhaftet. Damit ist über Berlin praktisch der Ausnahmezustand verhängt.
Der Prinz von Preußen schreibt nach der Lektüre der neuesten Nachrichten aus Wien seinem Bruder, dem König, einen Brief, den er durch den Major von Oelrichs nach Potsdam bringen läßt. Oelrichs findet Seine Majestät in einem kleinen Kabinett des Schlosses, wo er persönlich seine Socken und Schnupftücher am Ofen zu trocknen pflegt. Der Brief macht zum Erstaunen des Majors auf den König keinen Eindruck. Bei Tisch werden die Papiere, die der Kanzler wie gewöhnlich mit der Post, statt expreß, nach Potsdam geschickt hat, dem König übergeben. Nachdem er die Depeschen aus Wien gelesen hat, schmeckt ihm das Essen nicht mehr. Um 6 Uhr abends – es ist die Zeit der Schießerei an der Neuen Wache – ist der König im Berliner Schloß.
Am Nachmittag des 17. März versammeln sich in einem Lokal der Köpenickerstraße Bürger aus 13 Stadtrevieren. Einem Polizeikommissar, der die Räumung des Saales befiehlt, wird geantwortet, man weiche nur der Gewalt. Die Bürger formulieren eine Adresse an den König: »Pressefreiheit, beschleunigte Einberufung des Landtages, Zurückziehung der Truppe, Bürgerbewaffnung, Rücktritt der Minister und Berücksichtigung der arbeitenden Klasse.« Nach heftigen Debatten läßt man die Forderungen »Rücktritt der Minister und Berücksichtigung der arbeitenden Klasse« fallen. Man beschließt, die Adresse dem König durch eine Deputation, geleitet von tausend Bürgern, am 18. März, nachmittags 2 Uhr, zu überreichen.
Am gleichen 17. März dankt der König »allen in diesen Tagen gegen die Tumultanten tätig gewesenen Truppen für ihr musterhaftes Benehmen, ihre Ausdauer und Disziplin«.
Der Abend verläuft ruhig. Die Bevölkerung der Stadt wartet mit äußerster Spannung auf die Ereignisse des nächsten Tages. Im Schloß zu Berlin werden bis spät in die Nacht hinein neue Gesetze fertiggestellt: beschleunigte Einberufung des Vereinigten Landtages, Pressefreiheit, Reorganisation der Bundesverfassung »im Verein der Fürsten mit dem Volk«, Bildung einer vorläufigen Bundesrepräsentation aus den Ständen aller deutschen Länder, Forderung einer allgemeinen deutschen Wehrverfassung mit Bundesheer, Bundesfeldherr, Bundesflagge und Bundesgericht, Freizügigkeit, allgemeines deutsches Heimatrecht, Aufhebung aller Zollschranken auf deutschem Boden, allgemeiner deutscher Zollverein, deutsches Handelsrecht. Über Reformen in Preußen aber schweigen sich die Gestze aus.
Die militärische Fronde protestiert selbst gegen diese Edikte, die Preußen nichts kosten, sondern nur Zuwachs für seine Macht und seine Herrschaft bringen können.
18. März. Hohe städtische Beamte und namhafte Bürger wollen dem König gegen 1 Uhr mittags ihren Dank für die
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