Die Deutschen
aus Fremden bestehend, die sich seit einer Woche, obgleich aufgesucht, doch zu verbergen gewußt hatten, haben diesen Umstand im Sinne ihrer argen Pläne, durch augenscheinliche Lüge verdreht und die erhitzten Gemüther von Vielen Meiner treuen und lieben Berliner mit Rache-Gedanken um vermeintlich vergossenes Blut erfüllt und sind so die gräulichen Urheber von Blutvergießen geworden. Meine Truppen, Eure Brüder und Landsleute, haben erst dann von der Waffe Gebrauch gemacht, als sie durch viele Schüsse aus der Königstraße dazu gezwungen wurden. Das siegreiche Vordringen der Truppen war die notwendige Folge davon. An Euch, Einwohner meiner geliebten Vaterstadt, ist es jetzt, größerem Unheil vorzubeugen. Erkennt, Euer König und treuester Freund beschwört Euch darum, bei Allem was Euch heilig ist, den unseligen Irrthum! Kehrt zum Frieden zurück, räumt die Barricaden, die noch stehen, hinweg, und entsendet an Mich Männer, voll des ächten alten Berliner Geistes mit Worten, wie sie sich Eurem Könige gegenüber geziemen, und Ich gebe Euch mein Königliches Wort, daß alle Straßen und Plätze sogleich von den Truppen geräumt werden sollen und die militairische Besetzung nur auf die notwendigen Gebäude, des Schlosses, des Zeughauses und wenig anderer, und auch da nur auf kurze Zeit beschränkt werden wird. Hört die väterliche Stimme Eures Königs, Bewohner Meines treuen und schönen Berlins und vergesset das Geschehene, wie Ich es vergessen will und werde in Meinem Herzen, um der großen Zukunft willen, die unter dem Friedenssegen Gottes für Preußen und durch Preußen für Teutschland anbrechen wird.
Eure liebreiche Königin und wahrhafte treue Mutter und Freundinn, die sehr leidend darniederliegt, vereint ihre innigen, thränenreichen Bitten mit den Meinigen. – Geschrieben in der Nacht vom 18.–19. März 1848.
Friedrich Wilhelm
Zur gleichen Zeit werden 570 Gefangene in die Festung Spandau gebracht und dort unmenschlich behandelt.
Die Aufständischen sind ungebrochen. Sie halten Steine und siedendes Wasser in Bereitschaft; man hat große Granitplatten in die Häuser getragen, um sie herabzuwerfen. An einigen Orten hält man sogar Schwefelsäure bereit, die in Spritzen gefüllt werden soll. Die Nachrichten von den Grausamkeiten, Mißhandlungen und Metzeleien erfüllen die Aufständischen mit einer Erbitterung, die ihnen tags zuvor noch unbekannt gewesen war.
Bei den Soldaten zeigt sich Zermürbung und Demoralisation. Die »guten Bürger« Berlins verhandeln mit ihrem König und versprechen, daß die Barrikaden geräumt werden; der König verspricht, daß die Soldaten Berlin verlassen werden. Aber die Barrikaden werden von den revolutionären Arbeitern und Studenten beherrscht und nicht von den angesehenen Bürgern.
Um 10 Uhr wird verkündet, daß der König den Befehl zum Rückzug der Truppen erteilt habe. Der Prinz von Preußen erklärt: »Nun ist alles verloren.«
Am frühen Nachmittag erscheinen die Barrikadenkämpfer vor dem Schloß. Auf Wagen und Handkarren werden Tote vor die Front des königlichen Schlosses gefahren. Auf den Schultern trägt man Bahren mit den Toten in den Hof. Die Demonstranten schreien nach dem König. Nach einer Weile erscheint er. Die Revolutionäre heben die Bahren mit den Toten, von denen die Tücher genommen sind, hoch zum König hinauf, so daß er ihnen ins Gesicht sehen muß. Rufe fordern den König auf: »Hut ab!« Und der König zieht seinen Hut. Über dem Generalsrock trägt er einen grauen Mantel. Die Menge singt den Choral »Jesus, meine Zuversicht«. Die Königin, die neben ihrem Gatten steht, stöhnt: »Nun fehlt bloß noch die Guillotine«.
Aber die Sieger schweigen. Keine politischen Reden, keine Forderung, abzudanken, kein Ruf nach der Republik.
Der einzigen Forderung der Massen – Entfernung des Prinzen von Preußen – beugen sich die Herrschenden. Prinz Wilhelm flüchtet nach London.
Am 21. März klebt an den Hauswänden eine Proklamation.
An die deutsche Nation!
Eine neue glorreiche Geschichte hebt mit dem heutigen Tage für Euch an! Ihr seid fortan wieder eine einige große Nation, stark, frei und mächtig im Herzen von Europa!
Preußens Friedrich Wilhelm iv. hat Sich, im Vertrauen auf Euren heldenmüthigen Beistand und Eure geistige Widergeburt zur Rettung Deutschlands an die Spitze des Gesammt-Vaterlandes gestellt. Ihr werdet Ihn mit den alten, ehrwürdigen Farben deutscher Nation noch heute zu Pferde in Eurer Mitte erblicken.
Heil und
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