Die Deutschen
gewährten Konzessionen aussprechen. Doch in einer Bürgerversammlung wird gefordert, eine zweite Deputation solle den König ersuchen, das Militär zurückzuziehen, die Bürgerschaft zu bewaffnen, Schwurgerichte einzusetzen und freie Ständeversammlungen zu gewähren.
Um Mittag wird im Schloß eine Adressenübergabe der bürgerlichen »Schutzdemonstrationen« erwartet. Ein zahlreiches Publikum füllt den Schloßplatz. In den Gemächern des Königs tagt der Ministerrat. In den Mittagsstunden haben sich etwa 10000 Menschen um das Schloß versammelt. Ein Teil ist erbittert, weil Militär der Potsdamer Garnison im Schloßhof biwakiert. Gegen 2 Uhr erscheint der König auf dem Balkon. Bürgermeister Naunyn, der neben ihn tritt, verkündet, der König wolle Pressefreiheit, Einberufung des Landtags zum 1. April, eine Konstitution auf der freisinnigsten Grundlage, die alle deutschen Länder umfasse, eine deutsche Nationalflagge, Beseitigung der Zollschranken in Deutschland und daß »Preußen sich an die Spitze der Bewegung stelle«.
Viele Bürger jubeln, die Arbeiter schweigen, und der König winkt mit dem Taschentuch.
Als der König den Balkon verläßt, schreit die Menge: »Fort mit dem Militär!«
Das Kommando führt Generalleutnant von Prittwitz. Ihm befiehlt der König, den die Angst vor einem drohenden Aufstand der Massen gepackt hat, den Schloßplatz mit einer Dragonerschwadron im Schritt zu räumen und »dem dort herrschenden Skandal ein Ende zu machen«. Es ist gegen ½ 3 Uhr nachmittags.
Im Trab reitet die Schwadron in die Menge hinein. Schreie. Gebrüll. Die Pferde scheuen im Getümmel. Der Rittmeister reißt den Säbel aus der Scheide, die Dragoner tun es ihm nach und dreschen auf die Menge ein. Ein Schützenzug Infanterie rückt mit gefälltem Bajonett von der Ecke der Breiten Straße gegen die Lange Brücke vor. Da gehen zwei Gewehre los. Das Volk tobt vor Wut. Rufe: »Auf die Türme, an die Sturmglocken!« In Eile werden Barrikaden errichtet, wird das Pflaster aufgerissen, werden in den Straßen Kugeln gegossen. Aus den Vorstädten und Fabriken rücken Arbeiter heran. Hundert Maschinenbauer von Borsig marschieren in die Stadt. Handwerker und Gesellen verlassen ihre Werkstätten und bewaffnen sich. In der Königstraße wird gekämpft. Der Artillerie gelingt es nicht, eine große Barrikade zu zerstören. Stoßtrupps der Gardeinfanterie. Immer mehr Blutvergießen. Gegen 7 Uhr abends haben die Truppen die Königstraße erobert. Kämpfe am Alexanderplatz, an der Friedrichsbrücke, in der Jäger Straße, in der Friedrichstraße. Granatfeuer auf die Barrikaden, danach geht die Infanterie zum Angriff vor. Die Nacht ist mondhell und lau – eine freundliche Frühlingsnacht. Der Prinz von Preußen steht bei einer Batterie auf dem Schloßplatz und sagt zu seinem Vertrauten: »Der König kann ja nun alle seine Konzessionen wieder zurücknehmen.«
Die Kämpfe dauern die ganze Nacht hindurch. Gegen 3 Uhr morgens verstummt das Feuer der Gewehre und Kanonen. Die Truppen des Königs sind erschöpft und hungrig; die Munition geht ihnen aus. 20000 Mann regulärer Truppen standen im Gefecht; ihre Verluste werden mit 274 angegeben.
Auf den Barrikaden fielen 183 Menschen: Handwerker, Arbeiter, Studenten, Frauen, Kinder.
Der König ist verzweifelt. Seine Offiziere haben ihm mitgeteilt, daß Berlin höchstens noch zwei Tage zu halten sei, dann müsse er fliehen; die Stadt könne man dann nur zernieren. Am Morgen des 19. übermittelt der König dem Innenminister eine Proklamation, die sogleich gedruckt und in vielen tausend Exemplaren angeschlagen und verteilt wird. Die Berliner lesen mit Erstaunen:
An Meine lieben Berliner!
Durch Mein Einberufungspatent vom heutigen Tage habt Ihr das Pfand der treuen Gesinnung Eures Königs zu Euch und zum gesammten teutschen Vaterlande empfangen. Noch war der Jubel, mit dem unzählige treue Herzen Mich begrüßt hatten, nicht verhallt, so mischte ein Haufe Ruhestörer aufrührerische und freche Forderungen ein und vergrößerte sich in dem Maaße, als die Wohlgesinnten sich entfernten. Da ihr ungestühmes Vordringen bis ins Portal des Schlosses mit Recht arge Absichten befürchten ließ und Beleidigungen wider Meine tapferen und treuen Soldaten ausgestoßen wurden, mußte der Platz durch Cavallerie im Schritt und mit eingesteckter Waffe gesäubert werden, und 2 Gewehre der Infanterie entluden sich von selbst, Gott lob! ohne irgend Jemand zu treffen. Ein Rotte von Bösewichtern, meist
Weitere Kostenlose Bücher