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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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unverletzlich. § 142 gewährleistet das Briefgeheimnis. § 143 verkündet die Aufhebung der Zensur und das Recht der freien Meinungsäußerung in Wort, Schrift, Druck und bildlicher Darstellung. Jedem Deutschen wird die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert: § 152: Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Die Schulaufsicht durch die Geistlichkeit wird auf den Religionsunterricht beschränkt. § 161 gewährt das uneingeschränkte Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. § 164 erklärt das Eigentum für unverletzlich. In den Paragraphen 166–173 wird die feudale Gesellschaftsordnung praktisch aufgehoben. Noch am gleichen Tag wählt die Nationalversammlung die Deputation, die dem König von Preußen seine Wahl zum deutschen Kaiser übermitteln soll. Mit viel Pracht und großer Feierlichkeit empfängt der König in Berlin zur festgesetzten Stunde die Kaiserdeputation aus Frankfurt. Im Rittersaal steht er unter dem Thronhimmel in Uniform, den Helm im Arm, umgeben von Prinzen, Ministern und den Mitgliedern seines militärischen und persönlichen Hofstaates. Präsident Simson überreicht Seiner Majestät mit bewegten Worten eine Ausfertigung der Reichsverfassung und des Protokolls über die Kaiserwahl. Aber der König ist bereits fest entschlossen, sich keinesfalls »das Hundehalsband der Revolution überstreifen« zu lassen.
    »Ich würde«, erklärt er, »dem Sinne des deutschen Volkes nicht entsprechen, Ich würde Deutschlands Einheit nicht aufrichten, wollte Ich mit Verletzung heiligster Rechte und Meiner früheren ausdrücklichen und feierlichen Versicherungen ohne das freie Einverständnis der gekrönten Häupter, der Fürsten und der freien Städte Deutschlands, eine Entschließung fassen, welche für sie und für die von ihnen regierten deutschen Stämme die entscheidensten Folgen haben muß. An den Regierungen der einzelnen deutschen Staaten wird es daher jetzt sein, in gemeinsamer Beratung zu prüfen, ob die Verfassung dem Einzelnen wie dem Ganzen frommt, ob die Mir zugedachten Rechte Mich in den Stand setzen würden, mit starker Hand, wie es ein solcher Beruf von mir fordert, die Geschicke des großen deutschen Vaterlandes zu leiten und die Hoffnung seiner Völker zu erfüllen … Bedarf es des preußischen Schildes und Schwertes gegen äußere oder innere Feinde, so werde Ich auch ohne Ruf nicht fehlen!« Das bedeutet: Kampfansage an die Revolution.
    Karl Vogt, Sprecher der Linken der Nationalversammlung, erklärt: »Meine Partei betrachtet die Reichsverfassung nur als die erste Sprosse auf der Leiter, die man hinaufzuklimmen hat bis zur republikanischen Spitze. Mit bloß konstitutionellen Mitteln wird nichts erreicht; die Versammlung muß zur Revolution greifen.«
    Einen Monat später, am 26. April, wird die preußische Kammer aufgelöst, weil sie die Annahme der Reichsverfassung beschlossen hat. Gleichzeitig wird der Nationalversammlung mitgeteilt, daß die Preußische Regierung die Reichsverfassung ablehne. Und am selben Tage lädt Berlin die deutschen Regierungen zu Besprechungen über eine Verfassungsreform ein und schlägt vor, Maßregeln zu treffen, damit sich die verbündeten Regierungen Hilfe leisten können, falls es durch Festhalten der Versammlung an ihren Beschlüssen in manchen Ländern zu gefährlichen Krisen käme.
    Karl Marx und Friedrich Engels beschrieben die so entstandene politische Lage folgendermaßen:
    »Der unvermeidliche Konflikt zwischen der Frankfurter Nationalversammlung und den Regierungen der deutschen Staaten brach in den ersten Maitagen 1849 endlich in offene Feindseligkeit aus. Die österreichischen Abgeordneten, von ihrer Regierung abberufen, hatten die Versammlung bereits verlassen und waren nach Hause gefahren … Die konservativen Mitglieder, die merkten, welche Wendung die Dinge zu nehmen drohten, zogen sich in ihrer überwiegenden Mehrheit schon zurück, noch ehe sie von ihren betreffenden Regierungen dazu aufgefordert wurden … (Es) genügte somit die bloße Tatsache, daß die Mitglieder der Rechten von ihren Posten desertierten, um die frühere Minderheit in die Mehrheit der Versammlung zu verwandeln … Die neue Mehrheit erklärte, trotz aller Hindernisse müsse die Reichsverfassung durchgeführt werden, und zwar sofort; am 15. Juli solle das Volk die Abgeordneten zum neuen Reichstag wählen, und dieser solle darauf am 15. August in Frankfurt zusammentreten.
    Da war nun aber eine offene Kriegserklärung an jene Regierungen, die die

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