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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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trieb sie sogar weiter, als die bürgerlichen Leiter der Offenburger Versammlung wollten. Die Armee gerade war es, die in Rastatt und Karlsruhe die »Bewegung« in eine Insurrektion verwandelte.
    Die insurrektionelle Regierung fand also bei ihrem Amtsantritt eine fertige Armee, reichlich versehene Arsenale, eine vollständig organisierte Staatsmaschine, einen gefüllten Staatsschatz und eine so gut wie einstimmige Bevölkerung vor. Sie fand ferner auf dem linken Rheinufer, in der Pfalz, eine bereits fertige Insurrektion vor, die ihr die linke Flanke deckte; in Rheinpreußen eine Insurrektion, die zwar stark bedroht, aber noch nicht besiegt war; in Württemberg, in Franken, in beiden Hessen und Nassau eine allgemeine Aufregung selbst unter der Armee, die nur eines Funkens bedurfte, um den badischen Aufstand in ganz Süd- und Mitteldeutschland zu wiederholen und wenigstens 50000 bis 60000 Mann reguläre Truppen der Empörung zu Gebot zu stellen.
    Was unter diesen Umständen zu tun war, ist so einfach und handgreiflich, daß jetzt, nach der Unterdrückung des Aufstandes, jedermann es weiß, jedermann es gleich von Anfang an gesagt haben will. Es handelte sich darum, sofort und ohne einen Augenblick zu zaudern, den Aufstand weiterzutragen nach Hessen, Darmstadt, Frankfurt, Nassau und Württemberg. Es handelte sich darum, sofort von den disponiblen regulären Truppen 8000 bis 10000 Mann zusammenzuraffen – mit der Eisenbahn konnte das in zwei Tagen geschehen – und sie nach Frankfurt zu werfen – ›zum Schutz der Nationalversammlung‹. Die erschrockene hessische Regierung war durch die Schlag auf Schlag einander folgenden Fortschritte des Aufstandes wie festgebannt; ihre Truppen waren notorisch günstig gestimmt für die Badenser; sie, sowenig wie der Frankfurter Senat, konnten den mindesten Widerstand leisten. Die in Frankfurt stationierten kurhessischen, württembergischen und Darmstädter Truppen waren für die Bewegung; die dortigen Preußen – meist Rheinländer – schwankten; die Österreicher waren wenig zahlreich. Die Ankunft der Badenser, man mochte nun versuchen, sie zu verhindern oder nicht, mußte die Insurrektion bis ins Herz beider Hessen und Nassaus tragen, den Rückzug der Preußen und Österreicher nach Mainz erzwingen und die zitternde deutsche Nationalversammlung unter den terrorisierenden Einfluß einer insurgierten Bevölkerung und einer insurgierten Armee stellen. Brach dann der Aufstand an der Mosel, in der Eifel, in Württemberg und Franken nicht sofort los, so waren Mittel genug vorhanden, ihn auch in diese Provinzen zu tragen. Man mußte ferner die Macht der Insurrektion zentralisieren, ihr die nötigen Geldmittel zur Verfügung stellen und durch sofortige Abschaffung aller Feudallasten die große ackerbautreibende Mehrzahl der Bevölkerung an der Insurrektion interessieren. Herstellung einer gemeinsamen Zentralmacht für Krieg und Finanzen mit der Vollmacht, Papiergeld auszugeben, zunächst für Baden und die Pfalz, Aufhebung aller Feudallasten in Baden und jedem von der Insurreaktionsarmee besetzten Bezirk hätten vorderhand hingereicht, um den Aufstand einen ganz anders energischen Charakter zu geben.
    Alles das mußte jedoch im ersten Augenblick geschehen, um mit der Schnelligkeit durchgeführt zu werden, die allein den Erfolg sichern konnte. Acht Tage nach Einsetzung des Landesausschusses war es schon zu spät. Die rheinische Insurrektion war unterdrückt, Württemberg und Hessen rührten sich nicht, die anfangs günstig gestimmten Truppenteile wurden unsicher, sie folgten schließlich wieder ganz ihren reaktionären Offizieren. Der Aufstand hatte seinen allgemeindeutschen Charakter verloren, er war ein rein badischer oder badischpfälzischer Lokalaufstand geworden.«
    Großherzog Leopold erläßt am 2 . Juni von Frankfurt aus eine Proklamation, in der er alle Handlungen des »Landesausschusses für nichtig und wirkungslos« erklärt; mit Ausnahme der »Anstifter und Rädelsführer« sagt er allen »Teilnehmern am Hochverrat« völlige Amnestie zu. Am 4. Juni sucht der Großherzog um preußische Hilfe nach, die ihm auch zugesichert wird. Am 12. Juni trifft Prinz Wilhelm von Preußen, der »Kartätschenprinz«, als Oberbefehlshaber aller gegen Baden und die Pfalz anrückenden preußischen Truppen ein. Ihre Stärke beträgt insgesamt 52.000 Mann. Auch die bayerische Regierung ergreift am 10. Juni rigorose Maßnahmen: sie löst die Kammer der Abgeordneten auf und entsendet ein Armeekorps

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