Die Dichterin von Aquitanien
Schwäche für ihn hat und sicher kommen würde, wenn er ihr einen Liebesbrief schickt. Keiner nahm ihn ernst. Es wurden Wetten abgeschlossen.«
Marie spürte einen Kloß in ihrer Kehle. Das klang übel.
»Aber sie kam«, führte sie Jeans Bericht weiter.
»Ja, sie kam. Rümpfte ihre vornehme Nase über die Weinschänke und wollte so schnell wie möglich wieder in den Palast. Régnier brachte sie dorthin. Seitdem habe ich nicht mit ihm gesprochen.«
Das war auch besser so, befand Marie.
»Meint Ihr, ihm liegt wirklich etwas an Emma?«
Jean riss überrascht die Augen auf.
»Ihm liegt immer etwas an irgendeiner Frau. Aber niemals sehr lange. Trotzdem würde ich mir an Eurer Stelle keine Sorgen machen, Ma Dame. Die schöne Emma d’Anjou
scheint sich selbst derart zu lieben, dass sie nicht wirklich die Liebe anderer Menschen braucht.«
Plötzlich schien er Marie sehr fremd. Er wusste so wenig über ihre schöne Tante und andere höfische Damen, die stickten und Liebschaften suchten, weil es für sie nichts anderes zu tun gab.
Jean rückte ein Stück an sie heran und legte zaghaft seine Hand auf ihren Arm. Sie hörte ihr Herz rasen, wollte zurückweichen, aber konnte es nicht.
»Ich möchte nicht, dass Ihr jetzt schlecht von mir denkt«, sagte er leise. »Das mit dem Brief war ein dummer Einfall Régniers. Ich nutzte nur die Gelegenheit, Euch eine Botschaft zu schicken, und habe nicht damit gerechnet, dass Ihr auch zum Palasttor kommen würdet.«
Marie wurde eng ums Herz. Sogar Jean dachte, dass sie langweilig war, sich nur für Bücher begeistern konnte.
»Und warum nicht?«
»Weil ihr eine Frau mit Verstand seid«, erwiderte er. »Ein solcher Jungenstreich ist für Euch leicht zu durchschauen. Außerdem habt Ihr sicher Wichtigeres zu tun, als mit ein paar Rittern durch Weinschänken zu ziehen.«
Marie lächelte geschmeichelt, auch wenn sie nicht ganz seiner Meinung war. Außerdem war Régniers Verhalten gegenüber Emma kaum als Jungenstreich abzutun. Aber das konnte Jean nicht wissen. Egal, sie hatte erfahren, was sie wissen wollte. Nun wäre es am vernünftigsten, sich zu entfernen, sobald die Höflichkeit es erlaubte.
Doch da legte Jean einen Arm um ihre Schultern.
»Ich bin sehr froh, dass Ihr Euch mit mir treffen wolltet«, flüsterte er sanft in ihr Ohr. Marie spürte, wie etwas in ihr zu schmelzen begann. Vermutlich wäre dieser junge Mann in der Lage, eine asketische Einsiedlerin aus ihrer Höhle zu locken. Ihr Kopf sank wie von selbst auf seine Schulter. Als
sie spürte, wie seine Finger ihr Haar streichelten, war es wie damals vor dem Stadttor, obwohl Monate vergangen waren. Sie hob ihr Gesicht und suchte seinen Mund, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres, als ihn nun zu küssen. In seinen Armen war es warm, und ein Gefühl völligen Friedens ließ Marie für einen Moment alle Sorgen vergessen. Bald schon spürte sie seine Küsse auf ihrem Hals und Nacken. Die Sehnsucht nach etwas, das ihr bisher völlig fremd gewesen war, drängte sie zu ihm hin, wuchs mit jeder seiner Berührungen und begann quälend zu werden. Marie hörte sich leise stöhnen, als Jeans Finger zaghaft über den Stoff des Bliauts glitten, um die Form ihrer Brüste zu ertasten. Fragend sah er dann in ihre Augen. Sie wusste, dass sie ihm nun Einhalt gebieten sollte. Sie benahm sich um keinen Deut besser als Emma, zudem war helllichter Tag, und sie saßen im Palastgarten. Doch eben jene stumme Frage nach ihrem Einverständnis machte es ihr unmöglich, diesem Vorsatz zu folgen. Stattdessen lehnte sie ihren Kopf zurück, streckte sich seiner Berührung entgegen, die nun forscher wurde. Marie stieß ein ungeduldiges Wimmern aus. Sie verzehrte sich danach, dass er endlich unter den Seidenstoff ihrer Chemise griff. Ihre Hand sank auf sein Knie und strich seinen Schenkel entlang. Er biss sie sanft in den Nacken.
»Ihr seid bezaubernd.«
Dann näherten sich Schritte, begleitet von Stimmengewirr. Jean sprang sofort auf und stellte sich neben den Baumstamm. Marie versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Allein das Glühen ihrer Wangen musste verraten, dass sie sich wie eine läufige Hündin benommen hatte.
Hinter den Rosensträuchern sahen sie eine Gruppe von Klerikern vorbeiziehen. Unglücklicherweise führte der Weg zur Palastkapelle durch den Garten. Marie saß wie versteinert, doch keiner der Köpfe wandte sich ihr zu. Als die langen
Kutten endlich in der Tür der Kapelle verschwunden waren, seufzte sie erleichtert auf.
»Das
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