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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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war knapp. Es tut mir leid, ich bin wohl zu weit gegangen«, sagte Jean und setzte sich wieder auf die Bank, doch wahrte er diesmal Abstand.
    Marie senkte den Kopf.
    »Es war auch meine Schuld. Ich habe Euch ermutigt.«
    Erneut griff er nach ihrer Hand.
    »Ihr wart einfach nur großzügig zu einem armen Ritter«, erwiderte er mit einem verschmitzten Lächeln. Und nachdem er die Umgebung vorsichtig gemustert hatte, küsste er Maries Finger.
    »Ich möchte nicht unverfroren sein, denn ich weiß, dass eine Dame solches Verhalten durch sehr lange Zurückweisung bestrafen sollte. Aber ich kenne einen kleinen Raum, wo wir völlig ungestört wären.«
    Marie stockte der Atem. Das war in der Tat unverfroren, doch gleichzeitig verzehrte jede Faser ihres Körpers sich nach einer solchen Gelegenheit. Sie sah in seine blauen Augen und nickte stumm. Nur ein einziges Mal, schwor sie sich. Sie würde nicht so weit gehen wie Emma.
     
    Jean ging voran, und Marie folgte mit sicherem Abstand. Es ging in eines der Nebengebäude, die aus Lagerräumen und Zimmern einfacher Leute bestanden. Modriger Geruch stieg in Maries Nase. Stroh lag auf dem Boden, was Aliénor in ihrem Palast nicht duldete, und Marie meinte Ratten huschen zu hören. Jean durchquerte einen Raum, in dem Kisten aufeinandergestapelt waren, dann verschwand er hinter einer kleinen Tür. Marie blickte sich vorsichtig um. Ein paar Küchenmägde traten aus einem angrenzenden Raum. Sie tuschelten fröhlich, schleppten Säcke und würdigten Marie keines Blickes. Wieder einmal empfand sie ihre schlichte,
dunkle Kleidung als vorteilhaft, denn Emmas farbenprächtige Bliauts wären den Mädchen sicher ins Auge gestochen. Sie schob die Tür auf, trat zögernd ein.
    Es war dämmrig. Nur ein winziges Loch in der Mauer ließ ein wenig Sonnenschein eindringen. Die Luft roch verbraucht.
    »Ich mache gleich etwas Licht. Bitte erschreckt nicht, ich weiß, es ist nicht gerade schön hier«, meinte Jean, als er den hölzernen Riegel vor die Tür schob. Bald fand er einen Kienspan und rieb zwei Flintsteine gegeneinander, um Feuer zu entfachen, das ein schmutziges Zimmer erhellte. Auf einem Tisch, der nur noch drei Beine hatte, stand benutztes Holzgeschirr. Daneben entdeckte sie eine Strohmatte mit einer von Flecken übersäten Steppdecke. Ihr wurde unwohl.
    Jean kam langsam auf sie zu, lächelte und schloss sie in die Arme. Für einen Augenblick empfand sie nichts weiter als Glück und Sehnsucht. Seine Hände glitten ihren Körper hinab, tasteten seine Formen ab. Sie presste sich an ihn, spürte eine harte Schwellung zwischen seinen Beinen.
    In diesem Moment verflog aller Zauber. Sie sah nur noch Wände, die sie einschlossen, so wie einst in ihrer Hochzeitsnacht. Die Zärtlichkeit von Jeans Berührungen hatte sie vergessen lassen, wonach es Männern wirklich verlangte, doch nun erinnerte sie sich in aller Deutlichkeit an jenen brennenden Schmerz, den sie empfunden hatte, als Cadell regelmäßig ihren Körper zerriss. Sie entwand sich Jeans Umarmung und wollte zur Tür eilen. Sein verstörter Blick ließ sie jedoch innehalten. Ihr Benehmen musste völlig unbegreiflich für ihn sein, und sie wollte ihn trotz allem nicht kränken.
    »Ich möchte Euch nicht bedrängen«, sagte er schnell. »Wollt Ihr vielleicht einen Becher Wein?«
    Ratlos nickte sie. Sie musste eine Entschuldigung finden, um baldmöglichst gehen zu können, doch im Moment wollte
ihr einfach keine einfallen. Seltsamerweise brauchte Jean eine Weile, bis er im Zimmer einen Weinschlauch und zwei einigermaßen saubere Becher fand.
    »Woher kennt Ihr dieses Zimmer?«, fragte Marie, um eine Unterhaltung zu beginnen. Für einen Augenblick sah er verlegen aus.
    »Ich habe es bei einem Streifzug durch das Gebäude zufällig entdeckt. Es ist ein alter Lagerraum, zurzeit unbenutzt, daher hässlich und schmutzig. Ich komme manchmal hierher, wenn ich allein sein will.«
    Marie sah auf den Tisch. Zwei Becher und ein Brett, auf dem abgenagte Knochen lagen, standen dort herum.
    »Kürzlich war ich mit einem Freund hier«, ergänzte er sogleich, bevor er Marie den Wein hinhielt. Sie nippte daran. Er war zu warm und schmeckte bitter.
    Jean setzte sich auf die Matte. Maries Kehle wurde eng und sie wandte den Blick ab.
    »Es tut mir leid, ich kann Euch nichts Besseres bieten«, hörte sie ihn sagen. »Ich verstehe, wenn es Euch hier nicht gefällt.«
    Plötzlich erinnerte er Marie an einen unglücklichen Jungen. Ihre Furcht schwand, sie sank an

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